53 Jahre nach Franz Jonas kommt der Wiener Bürgermeister wieder aus Floridsdorf. Die Aufgabe beim Amtsantritt scheint für Michael Ludwig wesentlich schwieriger als für den späteren Bundespräsidenten 1951. Wer aber ist Michael Ludwig? Ein Portrait.
Geboren in Neubau (3. April 1961), zog Ludwig mit seiner alleinerziehenden Mutter und der Schwester ins damals noch wesentlich fernere Floridsdorf. Eine prägende Erinnerung: „Ein großer Sprung! Ich erinnere mich noch an meine erste Fahrt mit der Bim-Linie 330 in der Brünner Straße. Es war ein Herbsttag mit starkem Nebel, drei Stationen lang sah ich kein einziges Wohnhaus, nur Felder.”
Die Familie lebte auf 44 m² im Jedleseer Gemeindebau. Ludwig musste schon als Jugendlicher zum Familieneinkommen beitragen, mal im Gasthaus Wasserwiese im 2. Bezirk, später „habe ich Eisenbahn-Schienen in Eichgraben verlegt und im Sommer Packerln geschupft bei der Post oder Briefe ausgetragen gemeinsam mit dem damaligen Fußballer Peter Pacult”, erzählte er in der Kronen Zeitung.
Neben dem Studium der Politikwissenschaft und Geschichte an der Universität Wien (Ludwig ist Dr. phil.) begann das politische Engagement im 21. Bezirk. „Er ist als junger Mann gekommen und war sehr engagiert. Seine erste Aktion war, dass er für eine Leseaktion der Abeiterzeitung unverdrossen von Sektion zu Sektion gezogen ist. Er hat das ohne jeden Karrieregedanken gemacht”, erzählt Hilde Hawlicek, Ex-Unterrichtsministerin, im Gespräch mit der DFZ. Die Ausgangssituation sei für beide gar nicht so einfach gewesen, wie sie schmunzelnd hinzufügt: „Wir hatten auch zwei negative Gemeinsamkeiten: Wir sind beide nicht in Floridsdorf geboren und sind beide Akademiker – das war in Floridsdorf damals sicher nicht der Hit!”
Ludwig machte sich im Bildungsbereich einen Namen. Zunächst als Kurs- und Projektleiter in der Erwachsenenbildung, von 1986-1991 als Pädagogischer Leiter der Volkshochschule Wien-Nord. Das politische Engagement startete ebenfalls, 1994 als Bezirksrat unter dem damaligen Bezirksvorsteher Heinz Lehner, in Floridsdorf. Stationen als Bundesrat und Gemeinderat folgten,
bevor Ludwig 2007 Wohnbau-Stadtrat wurde und beinahe von Tag 1 an als Kronprinz von Michael Häupl galt.
Gerhard Spitzer, SPÖ-Gemeinderat und SPÖ Geschäftsführer in Floridsdorf, nennt Ludwig meist nur ‘den Chef’. „Was Michael Ludwig auszeichnet? Unglaublicher Fleiß! Ich kenne kaum Jemand, der so viel Zeitaufwand und persönlichen Einsatz betreibt.” Als langjähriger Weggefährte schätzt Spitzer, dass der Chef „mit allen Menschen kann. Es dauert wirklich lange, bis er auf jemanden grantig ist. Ich glaube, das war auch ein letztlich auschlaggebender Faktor bei der Wahl zum SPÖ-Vorsitzenden in Wien.”
Als Wohnbau-Stadtrat sammelt man natürlich nicht nur Fans (auf Facebook hat der dort höchst umtriebige Ludwig derzeit 10.590). Viele, in einem Gemeindebau wohnhafte, Floridsdorfer könnten wenig nette Geschichten über Wiener Wohnen erzählen. Andererseits hat Ludwig im Gemeindebau den Wien-Bonus, eine Bevorzugung langjähriger Wiener, eingeführt.
Und auch den Lieblingskritiker findet man mit ‚WIFF – Wir für Floridsdorf‘-Bezirksrat Hans Jörg Schimanek im 21. Bezirk: „Ich habe persönlich und menschlich nichts gegen Ludwig. Aber allein am Beispiel Wiener Wohnen, für das er voll die Verantwortung trägt, zeigt sich, dass er nicht einmal diesen Bereich in Wien im Griff hat. Nur ein Schönwettergesicht zu zeigen, ist für die Position des Bürgermeisters zu wenig.” Nachsatz: „Er hat natürlich das unmachbare Erbe von Werner Faymann angetreten.”
In einer Analyse ‚Der Presse‘ heißt es, „Ludwig hatte den Ruf zu nett und zu freundlich und als einziger Vertreter der Flächenbezirke in der Stadtregierung nur geduldet gewesen zu sein”. Fix scheint: Unter Bürgermeister Ludwig – er übernimmt das Amt am 24. Mai von Michael Häupl – wird es mehr Vertreter der Flächenbezirke an wichtigen Positionen geben. Er will „ein
besonderes Augenmerk dorthin legen, wo es eine starke dynamische Bevölkerungsentwicklung gibt. Dazu gehört auch unser Bezirk”, wie er im DFZ-Gespräch (siehe rechts) sagt.
Ludwig blieb auch privat Floridsdorf treu. Er lebt mit seiner oberösterreichischen Verlobten Irmtraud in einem „mit Kredit finanzierten” Kleingartenhaus in Strebersdorf: „Weil Floridsdorf ein wunderbarer Bezirk ist, der Urbanität verbindet mit naturnahen Räumen und ideale Lebensbedingungen bietet.”
Spitzer ist sich sicher, dass der Chef ein guter Bürgermeister wird: „Er holt Meinungen ein, diskutiert, wir besprechen Vieles. Dann kommt der berühmte Ludwig Satz: ‚Also gut, dann machen wir das so!‘ Und dann kann ich sicher sein, dass es auch so umgesetzt wird. Und er hat eine Hand dafür, Potential in anderen Menschen zu sehen und es dann auch hervorzuholen. Er gibt anderen Selbstvertrauen und schafft Möglichkeiten für sie.”
Franz Jonas wechselte übrigens vom Wiener Rathaus als Bundespräsident in die Hofburg. Aber eines nach dem anderen – ab 24. Mai ist Michael Ludwig Bürgermeister.
-HANNES NEUMAYER
-HANNES NEUMAYER