Rund 15% der Bevölkerung sind blind, gehörlos oder gehbehindert. Einer von ihnen ist der Floridsdorfer Jürgen Schwingshandl: Er ist seit dem zweiten Lebensjahr hochgradig sehbehindert. Seinen Alltag bewältigt er selbstständig und stößt dabei immer wieder auf Probleme. Auf die will der 56-Jährige aufmerksam machen und so „für mehr Achtsamkeit sorgen“.
Der DFZ schildert der IT-Profi einige dieser alltäglichen Schwierigkeiten, wie etwa der Weg von A nach B. „Alleine diese Kreuzung zu queren, kann dich drei bis vier Mal das Leben kosten“, sagt Schwingshandl. Gemeint ist der Übergang vom Amtshaus zur Prager Straße. Das Auffindesignal – das langsame Tackern bei Rot – der Ampel ist so leise, dass man es leicht überhört. Und noch schlimmer: Der Randstein ist nicht erkennbar „und ich trete ohne es zu merken auf die Fahrbahn“. Denn hier gibt es eine sogenannte Nullabsenkung und nicht wie mittlerweile an Straßenecken üblich, eine 1 bis 3 Zentimeter hohe Gehsteigkante, die einen Randstein signalisiert. Und auf halbem Weg steht auch ein nur etwa 1,4 Meter hohes Verkehrsschild, das einem Blinden – trotz korrektem Einsatz des Blindenstockes – leicht mal ein paar blaue Flecken bescheren kann. „Wenn ich sage Todesgefahr, ist das vielleicht überzogen, aber auch nicht frei erfunden.“ Da der Bereich gerade umgestaltet wird, ließen sich diese Probleme mit Achtsamkeit der Planer lösen.
Material für ähnliche Probleme alleine im öffentlichen Raum gibt es für ein ganzes Buch: „Direkt vor meiner Haustür ist es ein Glückspiel, ob ich den Ampelmast zur Querung der Donaufelder Straße finde oder mich wieder mal in den Radständern verhake bzw. versehentlich die Fultonstraße quere.“ Will ein blinder Mensch vom Pius-Parsch-Platz zum Bahnhof, so steht er auch dort vor einer Wahl: Spießrutenlauf zwischen Gemüsekisten, Kleiderständern und Passanten auf der Nordseite oder wildes Queren der Autospuren und Gleise.
Ein besonderer Feind für Sehbehinderte ist der ,stumme Verkauf‘, die Zeitungsständer an Masten, die – so Schwingshandl – gar nicht erlaubt wären, würde das Gesetz exakt ausgelegt. Oder Menschen, die mal eben ihr Fahrrad vor dem Bäcker „im Weg“ abstellen. Oder wenn bei Schneefall der Schnee rund um die Orientierungspunkte für Sehbinderte geschippt wird. Oder Schrägparker in der Fultonstraße, die so knapp bemessen sind, dass die Autos in den Gehsteig ragen. „Das Problem ist ja nicht, dass uns keine Zuvorkommenheit zuteilwird, sondern dass bestehende Richtlinien nicht befolgt werden“, so Schwingshandl.
Sein Wunsch: „Wir brauchen keine Gesetze verschärfen oder mehr Strafen. Ich bin unterwegs, um gesellschaftlichen Konsens zu finden, für Toleranz und Achtsamkeit zu sorgen! Gewonnen haben wir an dem Tag, an dem niemand mal eben schnell den Gehsteig zustellt – womit auch immer.“ -H. Neumayer