Das Burgenland in Wien

1648
Ambros Steindl bei der Arbeit. Fotos: Clemens Fabry | Pichler Verlag.
Ambros Steindl bei der Arbeit. Fotos: Clemens Fabry | Pichler Verlag.
Stein

‘Wiener Stadtbauern’ portraitiert ein neues Buch von Karin Schuh – einer ist der Biohof Steindl in Stammersdorf.

Ein Rundgang durch einen langgezogenen Streckhof, der ein bisschen an das Burgenland erinnert: Ambros Steindl betreibt in Stammersdorf gemeinsam mit seiner Familie einen kleinen Bio-Bauernhof. Seine Schwester Maria Hofbauer-Steindl kümmert sich um den Heurigen. Das Burgenland gibt es auch in Wien: Ein Streckhof, in dem ein Familienbetrieb über mehrere Generationen Hühner, Truthähne, Schweine, Enten und Hasen hält.

Ein Ab-Hof-Laden mit einer kleinen Schnapsbar, in der die eigentlichen Öffnungszeiten nicht so streng genommen werden. Ein paar neugierige Hunde und Katzen, die Besucher interessiert inspizieren und (vor allem Letztere) um Aufmerksamkeit und Streicheleinheiten betteln. Ein Blumen- und Gemüsegarten der Seniorchefin, der vor all dem Getier mit einem Zaun geschützt wird. Weiter hinten ein paar Pferde, ein paar Traktoren und ein Misthaufen. Ganz vorne, wo Familie Steindl wohnt, zwei Nussbäume, die Schatten bieten, eine Sandkiste für die Kinder und ein großer Tisch mit ein paar Stühlen für die ganze Familie. „Kommt’s rein”, sagt Ambros Steindl, der, wenn man so will, der Herr in diesem Haus ist und gerade seinem Sohn eine Geschichte vorliest. Ein Haus, das genauso auch im Burgenland stehen könnte, aber in Stammersdorf beheimatet ist.

Ambros Steindl führt gemeinsam mit seiner Familie – seiner Frau Catharina, seinen Eltern Gertraud und Ambros Steindl, die ebenso am Hof wohnen, und vor allem seiner Schwester, Maria Hofbauer-Steindl, die für den Heurigen zuständig ist – einen Mischbetrieb. Genau so, wie das auch sein Vater getan hat, sein Großvater, sein Urgroßvater. Wie weit sich das zurückverfolgen lässt, kann Steindl nur schwer sagen. „Seit 1822 mindestens. Am Familiengrab in Stammersdorf steht sogar eine Jahreszahl mit 1700”, sagt Steindl, der nun seine kleine Tochter auf dem Arm trägt. „Nach außen hin schaut das aus wie ein Betrieb, aber am Papier sind es zwei”, erklärt er.

Ambros Steindl & Maria Hofbauer-Steindl. Fotos: Clemens Fabry | Pichler Verlag.
Ambros Steindl & Maria Hofbauer-Steindl. Fotos: Clemens Fabry | Pichler Verlag.

Er kümmert sich um den Ackerbau, die Tiere und das Gemüse. Die Schwester ist für den Wein und den Heurigen zuständig. Offiziell. „In Wahrheit arbeiten wir komplett zusammen, anders geht es auch nicht”, sagt Steindl und setzt an zu einem Hofrundgang. Und während die doch recht lange Strecke zwischen Stammersdorfer Straße und Clessgasse, über die sich der schmale Hof hinzieht, abgeschritten wird, erzählt er über seine Arbeit, die Gedanken, die er sich dazu macht, und wie das früher einmal war.

Was hinter der Arbeit steckt

Dass er einmal mit seiner Schwester den Hof übernehmen würde, war für beide immer klar. Manchmal wundern sie sich, dass sie das wollten, obwohl sie immer gesehen haben, wie viel Arbeit dahintersteckt. Sie haben aber wohl auch mitbekommen, was sich hinter dieser Arbeit verbirgt und wie wertvoll sie ist. Wenn Steindl über seinen Hof spricht, hört man den Respekt gegenüber der Natur, der Landwirtschaft und vor seinen Tieren heraus. 2002 hat er den Hof auf biologische Wirtschaftsweise umgestellt. „Eigentlich viel zu spät, aber mein Vater war selbst nie ein extrem konventioneller Bauer. Gespritzt hat er wenig und nur nach Gefühl, nicht nach Rezept.”

Rund 70 Feldstücke auf insgesamt 54 Hektar bewirtschaftet er. Der Großteil davon, etwa 90 Prozent, ist in Stammersdorf verteilt. Der Rest liegt in Niederösterreich. Im Frühling baut der Biohof Steindl Gerste an („wenn es geht, Braugerste, das hängt von der Qualität ab”), Erdäpfel und Mais. Im Herbst wird Weizen, Roggen und Wickroggen angebaut. Dazwischen Gründüngungen, damit sich der Boden erholen kann. Verkauft wird alles ans Lagerhaus, das die Lebensmittel wiederum an den heimischen Einzelhandel weitervertreibt oder auch exportiert, nach Italien oder in die Schweiz. Gemüse, Eier, Speck, aber auch Traubensaft, Wein und selbst gebrannter Schnaps werden im Ab-Hof-Laden verkauft.

„Füttern bedeutet Geben”

Die Tiere, die in der Mitte des Streckhofs untergebracht sind, züchtet Ambros Steindl vor allem für den Heurigen und auch den Eigenbedarf. Rund 20 Schweine der Rassen Deutsche Landrasse und Pietrain hält er derzeit. Jeden Monat wird ein Tier, das mindestens ein Dreivierteljahr alt ist, für den Heurigenbetrieb geschlachtet – beim Fleischhauer. Die Verarbeitung übernimmt die Familie selbst. Es sei aber nicht immer leicht, den richtigen Abstand zu den Tieren zu finden. Immerhin kommt für jedes der Tag, an dem man es zum Schlachthof bringen muss. „Einmal hatten wir eine schwierige Geburt, die Zuchtsau und die Ferkel wären fast gestorben. Ich hab eines gestreichelt und mich gekümmert. Mein Vater hat damals gesagt: „Ist eh gut, was du machst, aber pass auf.”

 Fotos: Clemens Fabry | Pichler Verlag.
Fotos: Clemens Fabry | Pichler Verlag.

Drei Generationen in einem Haus

Steindl selbst ist es heute wichtig, dass seine Kinder so aufwachsen. „Was auch immer sie dann machen.” Den Sohn, das ältere der beiden Kinder, nimmt er gerne mit, wenn er mit dem Traktor auf die Felder fährt. „Wenn Zeit ist, dass man stehen bleibt, sich in eine Furche setzt und einen Regenwurm wieder eingräbt oder einfach mit einem Stückerl Holz in der Erde stierdlt …”. Er packt eine Heugabel und hievt ein bisschen Stroh zu den Schweinen. In dem Moment kommt seine Mutter vorbei, schüttelt den Kopf, murmelt: „Warum nimmst du nicht die Scheibtruhe? Du machst ja den Hof dreckig”, und geht weiter.

Die Art, wie sie es sagt, und das Schmunzeln, das es ihm dabei entlockt, macht deutlich, dass sie das nicht zum ersten Mal tut. Auch das gehört wohl zu einem Familienbetrieb dazu. Weiter geht es vorbei an Hühnern, Truthähnen, Enten und Hasen, die alle vorwiegend für den Eigenbedarf gehalten werden. „Die Hühner und die Hasen sind ein Hobby meiner Eltern. Das ist eh gut, aber sie verwüsten manchmal den ganzen Hof.”

Mitten im Hof führen ein paar Stufen in das kühle, alte Gewölbe. Wie alt der sei, kann er nicht mehr sagen. „Sehr alt, mehr weiß ich nicht.” 16 Grad habe es im Sommer in dem Keller, früher waren es weniger. Im Winter sind es rund acht Grad. Drei verschiedene Varianten vom Gemischten Satz reifen hier. „Einer mit drei, einer mit vier und einer mit acht oder neun Sorten, das ist der älteste.” Auch Riesling, Welschriesling, Grüner Veltliner, Weißburgunder, Chardonnay und Zweigelt wachsen auf den 2,8 Hektar großen Weingärten der Familie. Neu dazugekommen ist erst kürzlich der Müller-Thurgau.

Hofladen. Fotos: Clemens Fabry | Pichler Verlag.
Hofladen. Fotos: Clemens Fabry | Pichler Verlag.

Nun sind wir am Ende des Hofes angelangt. Hier stehen ein paar Traktoren vor dem alten Stall, in dem einige Pferde und ein Pony namens Primadonna untergebracht sind. Danach ist wieder ein Hoftor, das zur Clessgasse führt. Doch am Ende des Hofes ist die Arbeit für die Familie Steindl noch lange nicht getan. Ein paar Minuten die mit Steinen gepflasterte Gasse entlang, sind wir im alten Presshaus. Einmal im Monat lädt die Familie hier zur Buschenschank. So gut wie alles, was hier verkauft wird, stammt aus Eigenproduktion: der Beinschinken, die Blunzen, die faschierten Laberl, die Mehlspeisen und Aufstriche, der Wein sowieso. Im Garten des Presshauses steht die alte Weinpresse, auf der zwei Jahreszahlen eingeritzt wurden. 1790, als sie erbaut wurde, und 1889, als sie renoviert wurde. „Der hintere Teil war leider kaputt, den habe ich gemeinsam mit einem Tischler neu gebaut.”Auch dort wird eine Jahreszahl eingeritzt werden: 2017. (Gekürzte Fassung – Langfassung im Buch)

Biohof Steindl: Ambros Steindl, Stammersdorfer Straße 67, 1210 Wien. Mail: ambrossteindl.wordpress.com; ambros.steindl@gmx.at; Tel.: 01T2907819. Ab-Hof-Verkauf: Donnerstag bis Samstag 8–12 Uhr (und nach telefonischer Vereinbarung). Heuriger Presshaus: Maria Hofbauer-Steindl, Clessgasse 63, 1210 Wien. Ausstecktermine: presshaus.wordpress.com

[success]

Fotos: Clemens Fabry | Pichler Verlag.
Fotos: Clemens Fabry | Pichler Verlag.

Buchtipp: Wiener Stadtbauern

Mehr als 600 landwirtschaftliche Betriebe gibt es aktuell in Wien. Karin Schuh und Clemens Fabry haben 20 engagierte Bauern besucht, drei in Floridsdorf: den Biohof No. 5, den Biohof Steindl und auch das Weinhandwerk in der Stammersdorfer Senderstraße. Herausgekommen sind 20 persönliche Porträts mit passenden Rezepten, Produktinfos & Bezugsquellen. Info: Karin Schuh, Wiener Stadtbauern. Begegnungen – Produkte – Rezepte. 160 Seiten, ISBN 978-3-222-14019-8.

[/success]