Das Rätsel um das Gebäude Brünner Straße Nr. 239

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Gerald Pichowetz. Bild: Gloria Theater.
Gerald Pichowetz. Bild: Gloria Theater.

Meine lieben „Fluaridsduafa“! Meine Affinität zum Schienenverkehr, insbesondere jenes, der seine Antriebskraft vom Wasserdampf und dem Schaufeln von Kohle bezieht, ist weithin bekannt. Und so möchte ich Euch heute darüber erzählen, welche Bewandtnis es mit dem Gebäude Brünner Straße Nr. 239 hat.

Vor 135 Jahren, genauer gesagt am 3. April des Jahres 1884, erhielt die Gesellschaft „Dampftramway Krauss & Comp.“ die Konzession zum Bau und Betrieb einer Straßenbahn von Wien nach Floridsdorf, und von dort zweigeteilt nach Stammersdorf sowie nach Groß-Enzersdorf. Im Gegensatz zu den Konkurrenzunternehmen beschränkte sich Krauss & Comp. auf den Dampfbetrieb und konnte in München und in Linz selbst die erforderlichen Lokomotiven bauen. Bereits am 3. Juni 1886 konnte die gesamte Strecke unter lebhafter Anteilnahme der Bevölkerung eröffnet werden. In nur 47 Minuten konnte man nun um 27 Kreuzer von der Stefaniebrücke am Donaukanal u.a. über die Stationen „Mathildenplatz“, „Franz Josefsbrücke“, „Floridsdorf am Spitz“, „Gasfabrik“, und „Locomotivfabrik“ nach Stammersdorf gelangen.

Und ab April 1903 war nach Umsteigen auf die ebenfalls von Krauss & Comp. gebaute und betriebene Nö. Landesbahn sogar die Weiterfahrt nach Auersthal möglich. Die Dampfstraßenbahn war im Ortsgebiet mit 10 km/h, auf Landstraßen mit 20 km/h und auf eigenem Gleiskörper mit 25 km/h unterwegs. Der Volksmund bezeichnete übrigens diese „Nördliche Linie“ im Hinblick auf die Provenienz der Mehrzahl der Fahrgäste als „Die Bauernbahn“. Bereits 1911 war die gesamte Strecke Wien-Stammersdorf nach Übernahme durch die Städtischen Straßenbahnen der Gemeinde Wien elektrifiziert, das Dampfzeitalter der Straßenbahn in Wien endete jedoch erst am 22. Jänner 1922 am Groß Enzersdorfer Ast.

Zwei Fahrzeuge von Krauss & Comp. sind noch heute auf der Museumstramway zwischen Mariazell und dem Erlaufsee im Einsatz, nämlich die Dampfstraßenbahn Nr. 8 (Bj. 1884) der südlichen Linie und die Lok Nr. 31 „Stammersdorf“ (Bj. 1904) der Nö. Landesbahn. Und nun zu des Rätsels Lösung: Bei dem Gebäude handelt es sich um das „Heizhaus Stammersdorf“! Euer Gerald Pichowetz