
Das Deutsche Reich verlor nach 1918 durch die Versailler Verträge alle seine Kolonien. Das empfanden viele Menschen als ungerecht und schlossen sich in Kolonialvereinen zusammen. Besonders die NSDAP trat ab 1933 für die Wiedererlangung der Gebiete ein und hatte ab 1939 sogar ein eigenes Kolonialministerium. Die Begeisterung für den Kolonialismus wuchs aber auch in Österreich, das ja so gut wie keine Besitzungen gehabt hatte.
Konservative und rechtsextreme Kreise gründeten auch hier Kolonialvereine, die nach dem Verbot der NSDAP 1933 zu Treffpunkten illegaler Nazis wurden. Nach dem „Anschluss“ Österreichs wurden die kolonialen Aktivitäten intensiviert und im Mai 1939 wurde in Wien die Reichstagung des Kolonialbundes abgehalten.
Von Matthias Marschik
Was das alles mit Floridsdorf zu tun hat? Nachdem der Kriegsverlauf besonders in Nordafrika die baldige Eroberung von Kolonien versprach, wurde die im Frühjahr 1941 in Oranienburg bei Berlin gegründete Kolonialpolizeischule mit 600 Schülern zu klein. Auf der Suche nach einem weiteren Standort schlug die SS Wien vor. Konkret warf die SS ein Auge auf das Schulgelände des ehemaligen Pensionates in Strebersdorf. Das Gebäude war im Herbst 1938 den Schulbrüdern ebenso entzogen worden wie die Unterrichtsbefugnis und es war für drei Jahre an die Polizei übergeben worden. Im Herbst 1941 stand es also wieder zur Disposition. In heftigen Streitigkeiten zwischen verschiedenen NS-Stellen setzte sich die SS durch und noch im September 1941 eröffnete die Strebersdorfer Kolonialschule für 180 Schüler mit 35 Mann Stammpersonal.
Die Auswahl der Kandidaten war streng, sie mussten körperlich fit, ideologisch sattelfest und tropentauglich sein. Unterrichtet wurden unterschiedliche Themen von Geografie bis Hygiene und von Organisationsstrukturen bis zu medizinischen Kenntnissen. Im Zentrum stand allerdings die körperliche Schulung, die weltanschauliche Indoktrinierung und der Umgang mit einer „minderwertigen“ Bevölkerung. Über ein Jahr lang arbeitete die Wiener Kolonialschule programmgemäß, einige der Schüler sammelten in Erwin Rommels Afrikakorps sogar praktische Erfahrungen. Doch nachdem sich im Spätherbst 1942 die Niederlage des deutschen Afrikakorps abzeichnete, disponierte die NS-Führung um: Aufgrund eines Führerbefehls mussten alle kolonialen Aktivitäten beendet werden, die Kolonialpolizeischulen wurden sofort aufgelöst. Aus Strebersdorf wurde eine Nationalpolitische Lehranstalt.
Ganz beendet war die Geschichte der Kolonialschulen damit aber nicht, denn die Absolventen der Lehrgänge wurden verschiedenen Verbänden zugeteilt und erfüllten bis Kriegsende Aufgaben im NS-Kriegs- und Vernichtungssystem, primär am Balkan und an der Ostfront. Aufgrund ihrer Ausbildung wurden sie meist SS-Polizeiregimentern in Serbien und Galizien zugeteilt, andere waren als Aufsichtsorgane in Vernichtungslagern oder in der Partisanenbekämpfung aktiv. Das alles ist keine angenehme, aber eine wichtige Erinnerung an und aus Floridsdorf.
