Floridsdorf hat einen einzigen Berg. Der ist aber ausgesprochen abwechslungsreich und vielfältig. Die Floridsdorfer Autoren Gabriele Dorffner und Matthias Marschik haben dem Bisamberg ein feines und ausgezeichnet bebildertes neues Buch gewidmet.
Der Bisamberg ist geologisch gesehen der – durch die Donau getrennte – letzte Ausläufer der Alpen. Selbst für Menschen aus der Buckligen Welt ist er eher ein Hügel. In Wien gilt er im Vergleich mit dem Konstantinhügel im Prater als Hochgebirgsgigant. Der Bisamberg besticht durch seine vielfältige Flora und Fauna: In Strebersdorf und Hagenbrunn gibt es ausgedehnte Weinanbaugebiete, die Bisamberger Seite ist dicht bewaldet, in Langenzersdorf fällt der Hang steil Richtung Donau ab. Nicht umsonst heißt hier einer der Pfade ‘Mörderwegerl’.
Dass es in der Ortschaft Bisamberg tatsächlich 1949 einen zum Glück aufgeklärten Mordfall gab, ist eine der Anekdoten, die Dorffner und Marschik erzählen. Die drei Hauptkapitel sind mit „Der Berg, rund um den Bisamberg und auf dem Bisamberg“ benannt. Beleuchtet werden Vergangenheit wie Gegenwart des Hausbergs der Floridsdorfer. Der Reigen der Geschichten spannt sich von der Elisabethhöhe zu einstigen und bestehenden Gasthöfen, über Florian Berndl bis zu Denkmälern und einem ehemaligen Kinderfreundeheim. Am Bisamberg gibt es alte Schanzen, ein unterirdisches Flugwerk der Nazis und natürlich gab es bis 2010 die dann gesprengten Sendemasten. Aber es gibt (außer 1935-38 ein Dollfuß-Kreuz) kein Gipfelkreuz.








Einzigartig macht den 358 Meter hohen Bergrücken aus Sandstein nicht nur, dass er eigentlich aus einigen Mini-Gipfeln wie dem Lahnerberg besteht. Nein, er ist unser Berg, der Berg der Einheimischen. Dorffner und Marschik: „Doch ist der Bisamberg, verglichen mit seinen Kollegen am anderen Ufer, eindeutig ein transdanubischer Berg. Den Bisamberg ziert keine Burg und keine Kirche, kein Hotel und keine Aussichtswarte, es gibt kein Schloss und keine mondänen Ausflugsrestaurants: Ein Projekt von Starkoch Reinhard Gerer, den Magdalenenhof als Haubenrestaurant zu führen, scheiterte 2013 nach wenigen Jahren. Im Gegensatz zu Kahlen- und Leopoldsberg mit ihren zahlreichen Attraktionen ist der Bisamberg ein Terrain für Einheimische.“
Kleines Detail: Während es im Wienerwald gut beschildert durch die Hameau, etc. geht, sucht man am Bisamberg Wegweiser meist vergeblich. Dafür haben sich die umliegenden Dörfer noch sehr viel ihres ländlichen Charmes bewahrt. Marschik: „Die einheimischen Wanderer haben ohnedies ihre gewohnten Routen, wie sie von Langenzersdorf, Hagenbrunn oder vom Ort Bisamberg, von Strebersdorf und Stammersdorf auf die Elisabethhöhe oder zum ‘Zigeuner’-Bründl kommen.“
Mitten über den Bisamberg verläuft die Landesgrenze zwischen Wien und Niederösterreich eher unbemerkt. Nachgewiesen sind eine keltische Siedlung und ein früher Kupferabbau. Eine Burg gab es, das ist bei dem fantastischen und weiten Blick ins Umfeld eher ungewöhnlich, nie. Bewaldet wie heute war der Berg bis 1850 kaum, er beheimatet heute aber dutzende Orchideenarten und – keine Übertreibung – hunderte verschiedene Wildbienen.
Marschik spazierte schon als Kind mit den Großeltern auf ‘seinen’ Berg, „der noch immer sowohl ein Ort des Wanderns und Müßiggangs als auch der Einkehr in den großen Heurigenlokalen oder den winzigen Ausschanken ist. Ein nahezu klandestiner Ort für die Einheimischen.“ Zwischen Donauraum, Alpen, Marchfeld und Weinviertel ist der Bisamberg „der Wächter Transdanubiens“. H. Neumayer

Lesetipp: Der Bisamberg: Der transdanubische Wächter. Matthias Marschik & Gabriele Dorffner. Edition Winkler-Hermaden. 112 Seiten, 20 Euro. Am 10. November 2022 findet im Bezirksmuseum eine Präsentation des Buches statt.