Einkaufsparadies Floridsdorf „Von Ruhm und Glanz ist wenig über“

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Neueröffnung direkt im Amtshaus Floridsdorf: Im Waikiki gibt es seit wenigen Wochen diverse Bowls. Foto: Robert Sturm - cordbase.com
Neueröffnung direkt im Amtshaus Floridsdorf: Im Waikiki gibt es seit wenigen Wochen diverse Bowls. Foto: Robert Sturm - cordbase.com

2017 lautete die Schlagzeile der Floridsdorfer Zeitung „Wie wird der Spitz attraktiver?“ Acht Jahre später: Ist es besser geworden? Gar noch schlechter? Eine Bestandsaufnahme der DFZ.

Von Ruhm und Glanz is wenig über,
Sag ma wer ziagt no den Huat vur dia

1989 sang Rainhard Fendrich erstmals seine oft missverstandene heimliche zweite Bundeshymne ‚I am from Austria‘. 1989 war die Brünner Straße noch eine beliebte Einkaufsmeile. Fürnkranz, Dorotheum, Palmers, sind nur einige Namen. Den ersten gibt es nicht mehr, die zweiten sind in das SCN – selbst mittlerweile ein Problemkind – übersiedelt. Und die dritten stehen für viele Floridsdorfer für den Höhepunkt einer unerwünschten Entwicklung: Statt sexy Unterwäsche wird auf der Brünner Straße 6 nun Mode mit arabischem Einschlag verkauft. In der Auslage präsentiert man auch Burkas. Kurz nach der Eröffnung gab es Fäkalienanschläge, das Geschäft musste Security engagieren. Die Lage hat sich nun beruhigt.

Gegenüber hat der Friseur Klipp bereits einige Jahre geschlossen, dafür gibt es im Bezirkszentrum 16 Barber-Shops. Auch so eine Entwicklung der letzten Jahre. Außerdem 17 Kebap-Läden, etc.. Deren inhaltliches Konzept mittlerweile meist von Schnitzel über Kebap bis zu Pasta reicht. Alleine in der Pius-Parsch-Promenade gesellen sich nun ein Nudelladen und zwei weitere Imbissläden hinzu.
Neben dem verwaisten Klipp-Laden ist im gleichen Haus ein zweites Geschäft wieder leer. Die ,Kofferzentrale‘ bekam eine künstlerische
Zwischennutzung und war dann nach jahrelangem Leerstand das Brautmodengeschäft Diva, ebenfalls mit „orientalischem Einschlag“, wie es ein Bezirkspolitiker formulierte. Im Juni 2017 wurden für das Lokal (190m2, plus 60m2 Lager) 4.888 Euro verlangt. Nach einem Besitzerwechsel scheint das Haus nun saniert zu werden.

Dropsboutique am Spitz. Bild: DFZ.
Dropsboutique am Spitz. Bild: DFZ.

Gerald Kneissl ist RE/MAX Dreams Wien 21 Immo-Experte und fast direkter Nachbar: „Die Veränderungen sind natürlich eher negativ, viele Geschäftslokale stehen bereits länger leer. Einige sind mit Plakaten verklebt und optisch alles, nur kein Renommee für das Bezirkszentrum.“

Eine Reportage von Hannes Neumayer

Vier Leerstände gibt es auch im Eckhaus Am Spitz, dem Lehndorfer Hof. Das Haus ist zum Ärger der Mieter seit etwa sieben Jahren eine Dauerbaustelle. Der Traditions-Juwelier Gunsam macht auch wegen dieser permanenten Belästigung mit Jahresende Schluss. Besitzer Bernhard Domandl: „Außerdem gehen zwei Mitarbeiter in Pension. Es ist unmöglich Ersatz zu finden – unfassbar, wer sich da so beworben hat …“ Noch besteht die Hoffnung, dass jemand die Nachfolge antritt. Domandl wird mit seiner Uhrmachertochter weiter vis a vis die Werkstatt ,Die Zeitmesserin‘ betreiben. In Summe gibt es im Bezirkszentrum derzeit circa 40 Leerstände.

Gerald Kneissl vor seinem Geschäftslokal auf der Brünner Straße. Bild: DFZ.
Gerald Kneissl vor seinem Geschäftslokal auf der Brünner Straße. Bild: DFZ.

Ist also alles schlechter geworden? Oder wie es das Magazin NEWS vor acht Jahren formulierte, ist das Floridsdorfer Bezirkszentrum der ,Boulevard der Unzufriedenen‘? Noch halten im Bezirkszentrum Traditionsbetriebe, um die uns andere beneiden, durch: Die Dropsboutique im Amtshaus (Bild links unten), Schuh Liesl, Mantler’sche Apotheke, Elektro Pölz und Holzmann und natürlich der 1210er Eis-Platzhirsch Perugini.

Es gibt auch Neueröffnungen! Etwa die Bäckerei Mokka am Spitz, Sascha Schützenauers ,Tiki Bowle‘-Laden Waikiki im Amtshaus, die Rückkehr des Woolworth und der orange-blaue Einkaufspitz wurde durch einen Neubau ersetzt. In die Geschäftslokale sind Lidl und Bständig umgezogen. Einige Traditionsbetriebe sind aber auch verschwunden: das Modegeschäft Winkler in der Schloßhofer Straße, das Fotogeschäft Jeschofnig und Peter Vycitals Lotto-Manufaktur mit Roman-Hefterl-Tausch. Ein Stück weiter soll auf Nummer 33 an einem ehemaligen Wettbüro-Standort ein Pensionistenzentrum eröffnen.

Vis a vis kämpft der Schlingermarkt trotz massiven Bemühungen von Bezirk und Stadt um Kundschaft. Auf der Prager Straße schließt in Kürze gegenüber dem Gloria Theater das ,Tasty & Retro‘: Laut Betreiberin dezidiert wegen der Dauerbaustelle und den fehlenden Parkplätzen. Andererseits hatte Bezirksvorsteher Georg Papai (SPÖ) einen Termin mit mehreren Lokalbetreibern der Prager Straße, die möglichst rasch einen Schanigarten aufmachen wollen.

Eis Maestro. Bild: Robert Sturm - cordbase.com
Eis Maestro. Bild: Robert Sturm – cordbase.com

Kneissl: „Es gibt neue Mieter, nur sind die meist nicht, was man im Grätzel benötigt: Barber-, Kebap- & Handyshops. Außerdem sind viele bald wieder weg …“ Das liege zum Teil auch an den „horrenden Preisen. Viele Menschen, die sich selbstständig machen wollen, trauen sich das finanziell nicht zu.“ Kein Problem scheint das für jene Läden zu sein, die für viele Beobachter, die das meist öffentlich nicht so sagen wollen, in die Kategorie türkisch oder arabisch fallen. Egal ob Brautmoden, Handy- und Kebap-Laden oder Schmuckgeschäfte. Und natürlich
kommen auch die Barbiere eher nicht aus Sevilla.

Laut Zählung der Wirtschaftskammer gab es im Oktober 2024 am Beginn der Brünner Straße an einem Donnerstag und Samstag zusammen 11.256 Passantinnen. Das ist unter dem Vor-Corona-Wert. Aber im Vergleich noch immer besser als Praterstraße, Lerchenfelder- oder Gumpendorfer Straße, Simmeringer oder Hernalser Hauptstraße. WK-Wien-Bezirksobfrau Katharina Graber sieht Verkehrsbelastung und Baustellen als „Herausforderung für die geringe Verweildauer der Passantinnen.“ Bei kommunalen Maßnahmen fehle oft die „ausreichende Rücksprache mit den ansässigen Betrieben“. Graber, sie ist auch ÖVP-Bezirksrätin, wünscht sich eine bessere Kommunikation geplanter Maßnahmen, die Attraktivierung leerstehender Geschäftsflächen, die Erweiterung der Geschäftsstraßenregelung für Parkplätze auf Seitengassen und eine Flexibilisierung der Regelungen für Schanigärten.

FPÖ-Gemeinderat Thomas Kreutzinger findet „das derzeitige Geschäftsbild rund um den Spitz zeigt leider deutlich, dass es seit geraumer Zeit keinen Branchenmix mehr gibt. Hinzu kommt eine katastrophale Verkehrspolitik mit einer einhergehenden Parkplatzvernichtung, die auch noch die letzten Kunden in die Flucht schlagen wird. Es ist erschütternd und traurig mit anzusehen wie inkompetent und unfähig die Verantwortlichen hier agieren.“

Fakt ist, wir Konsumenten spielen eine entscheidende Rolle. Wer nur noch online einkauft, braucht sich über das Verschwinden lokaler Geschäfte nicht beschweren. Im Floridsdorfer Bezirkszentrum gibt es viele Läden, die einen Besuch wert sind: Vom Waikiki bis zum Kebap-Laden, von Eis-Maestro bis zum Griechen Mawridis am Hoßplatz, von Schustern über Stoffgeschäft zu Buchhandlungen bis zu den Lokalen auf der Prager Straße und unseren Schlingermarkt!

Wenig geschäftiges ,Geschäftsquartier Zentrum Floridsdorf‘?
,Geschäftsquartiere‘ nennt sich ein im Oktober 2023 präsentiertes Konzept, das zu einem Großteil die lokalen Einkaufsstraßenvereine ersetzt und von diesen auch massiv Förderbeiträge abgezogen hat. Es solle gezielter statt mit der Gießkanne gefördert werden, so das Ziel von Wirtschaftskammer und Stadt. Eines der sechs Wiener ,Geschäftsquartiere‘: ,Zentrum Floridsdorf‘. Wir hätten unseren Lesern gerne erzählt, was denn da konkret passiert. Angeblich gab es vor Monaten einen gelungenen Workshop mit Unternehmern. Tatsächlich gibt es eine bunte aber inhaltlich über schöne Schlagworte nicht hinausgehende Homepage. Die Anfrage der Floridsdorfer Zeitung zu Inhalten und Konzepten wurde nicht beantwortet. Vielleicht ist man auch einfach nicht allzu geschäftig …