Es geschah in Transdanubien

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Ein idealer Start für junge Familien in den schweren Jahren der Zwischenkriegszeit: ein „ausbaufähiges Kernhaus mit Kleintierstall“, ein Garten für Obst und Gemüse samt Brunnen – wichtige Voraussetzungen für die Selbstversorgung. Bild: ÖNB.
Ein idealer Start für junge Familien in den schweren Jahren der Zwischenkriegszeit: ein „ausbaufähiges Kernhaus mit Kleintierstall“, ein Garten für Obst und Gemüse samt Brunnen – wichtige Voraussetzungen für die Selbstversorgung. Bild: ÖNB.

Neues Buch erzählt bekannte und weniger bekannte Anekdoten aus Floridsdorf und Donaustadt.

Ein druckfrisches neues Buch erzählt basierend auf originalen Zeitungsartikeln Geschichtsträchtiges aus Floridsdorf und Donaustadt. So ist Thomas Hofmann ein kurzweiliges Buch gelungen, das Neo-Transdanubiern den 21. und 22. Bezirk näher bringt, aber auch für die ‘Urbevölkerung’ Neues zu bieten hat. Eingefleischte Floridsdorfer wissen ja: Der 22. Bezirk ist nur der kleine Bruder, der uns über den Kopf gewachsen ist. Ab der Eingemeindung Floridsdorfs 1904/05 waren auch die meisten der heutigen Ortschaften der Donaustadt bei Floridsdorf. Teils bis 1938, teils bis 1954.

Stein

Das Buch beleuchtet große Momente Transdanubiens von der Probefahrt auf der k. k. priv. Kaiser Ferdinands Nordbahn am 23. November 1837 über den Besuch des Kaisers in Floridsdorf bis zu einem aviatischen Fest bei Lohner & Co. Insgesamt gliedert sich das Buch auf über 120 Seiten in sechs Abschnitte wie ‘Naturgewalten und Tragödien’ oder ‘Von Räubern und Mördern’. Immer ausgehend von originalen Zeitungsartikeln und historischen Ansichtskarten.

Author Thomas Hofmann, im Zivilberuf Bibliothekar und Archivar: „Ich las von den Kämpfen Erzherzog Karls gegen Napoleon ebenso wie von harten Einzelschicksalen und Entbehrungen nach dem Zweiten Weltkrieg. So erschloss sich ein faszinierendes Panoptikum. Freilich ist die Auswahl der Artikel subjektiv. Das Buch ist keine offizielle Geschichte des 21. und 22. Bezirks.”

Die Zeitungsartikel sind wahre und authentische Geschichten vor dem Hintergrund der jeweiligen Zeit und des jeweiligen politischen Regimes. Sie stammen nicht aus der Feder eines Historikers, sondern sind Momentaufnahmen. Drei präsentieren wir Ihnen hier im Vorabdruck (im Originaltext).

 Jene neuen Siedler der Stadtrandsiedlung Leopoldau, die Ziegen (die „Kuh des kleinen Mannes“) hielten, konnten ihre Familie mit Milch und Fleisch selbst versorgen. Bild: ÖNB.
Jene neuen Siedler der Stadtrandsiedlung Leopoldau, die Ziegen (die „Kuh des kleinen Mannes“) hielten, konnten ihre Familie mit Milch und Fleisch selbst versorgen. Bild: ÖNB.

Die Besiedlung der Stadtrandsiedlung Leopoldau.

Nunmehr ist auch der zweite Teil der Stadtrandsiedlung Leopoldau soweit fertiggestellt, daß die Siedlerstellen den Bewerbern zugewiesen und von ihnen bezogen werden können. Die Zuweisung der 345 Siedlerstellen des zweiten Bauteiles ist im Weg der Verlosung vorgenommen worden. Jeder Siedler erhält ein ausbaufähiges Kernhaus mit Kleintierstall und 2500 Geviertmetern Land. Die Herstellung der notwendigen Verkehrswege und die Einfriedung des gesamten Landes sind bereits von den Siedlern durchgeführt worden. Augenblicklich werden sämtliche Parzellen umgepflügt; unmittelbar nach dem Bezug wird das Einsetzen der Obstbäume, die den Siedlern ebenfalls beigestellt werden, und die Vorbereitung des Frühjahrsanbaues beginnen.

Nach Durchführung dieser Arbeiten wird an die Errichtung eines Genossenschaftsgebäudes mit den für die Siedlung notwendigen Geschäftsräumlichkeiten geschritten werden. Einschließlich des ersten Teiles, der bereits im Mai 1933 besiedelt worden ist, wird die Stadtrandsiedlung Leopoldau insgesamt 425 Arbeitslosen-Familien Wohnung und die Möglichkeit zur Gründung einer neuen Existenz bieten.

Ein idealer Start für junge Familien in den schweren Jahren der Zwischenkriegszeit: ein „ausbaufähiges Kernhaus mit Kleintierstall“, ein Garten für Obst und Gemüse samt Brunnen – wichtige Voraussetzungen für die Selbstversorgung. Bild: ÖNB.
Ein idealer Start für junge Familien in den schweren Jahren der Zwischenkriegszeit: ein „ausbaufähiges Kernhaus mit Kleintierstall“, ein Garten für Obst und Gemüse samt Brunnen – wichtige Voraussetzungen für die Selbstversorgung. Bild: ÖNB.

Illustrierte Kronen Zeitung, 23. Januar 1934

Eine Weinzapfstelle in Stammersdorf

In Stammersdorf steht ein hundertjähriger Gasthof, der „Post-Rendezvous“ heißt – eine Reminiszenz an vergangene Zeiten. Er wird hauptsächlich von Weinfuhrwerkern aufgesucht, die dort auch gern nächtigen. Was sie dort sonst noch gerne machen, erfuhr man in der Verhandlung gegen einen dieser Fuhrwerker und gegen einen neuen Hausknecht des Gasthauses. Daß häufig Wein, der über Stammersdorf nach Wien kommt – der Brünnerstraßler –, reichlich kraftlos war, war schon lange, man könnte fast sagen, seit Generationen, bekannt. Wie und wo er verdünnt wird, wissen die Gerichte seit 15, 16 Jahren, aber trotzdem gelingt es selten, die Weinfälscher bei der Arbeit und so gründlich zu überführen, daß wenigstens einigen von ihnen das Handwerk gelegt werden kann. Eine Gendarmeriepatrouille fiel eines Abends im Hof des Gasthauses ein melodisches Plätschern auf.

Rendezvousberg um 1935. Foto: BM21.
Rendezvousberg um 1935. Foto: BM21.

Einer der Gendarmen kletterte daraufhin auf einen Baum, sah über die Mauer in den Hof hinunter und entdeckte so, daß der Fuhrwerker Josef Weinhofer zusammen mit dem Hausknecht Franz Ullmann aus einem großen Weinfaß mehrere Kannen abzapfte und das Weinfaß dafür mit Wasser nachfüllte. Diese beiden und der Kutscher Franz Josef Keller wurden sofort verhaftet, aber Keller ist dann später geflüchtet. Alle beiden Angeklagten verlegten sich, so gut es ging, aufs Leugnen. In der Verhandlung wurde bekannt, daß es gewissermaßen eine Gepflogenheit war, die sich von Hausknecht auf Hausknecht vererbte, diese geheime Weinmaut einzuheben. Sie teilten mit den unredlichen Weinkutschern.

Diesmal bekam der Kutscher Weinhofer zwei Monate strengen Arrest bedingt. Der Hausknecht Ullmann aber drei Monate schweren Kerker. Der Wiener Tag, 5. September 1935

Mord- und Selbstmordversuch nächst der Birner’schen Badeanstalt

Samstag fand vor dem Erkenntnißsenate des Korneuburger Kreisgerichtes, welcher ausnahmsweise im Verhandlungssaale des Floridsdorfer Bezirksgerichtes amtirte, der Abschluß eines Liebesromanes statt, der seinerzeit in Floridsdorf das Tagesgespräch bildete. Am 9. Mai um ½9 Uhr Abends bemerkte der Schiffmann Johann Swoboda, Donaufeld, Klosterneuburgerstraße 23 wohnhaft, in der alten Donau nächst der Birner’schen Badeanstalt eine Frauensperson im Wasser, welche um Hilfe rief. Swoboda sprang in’s Wasser und zog die Frauensperson noch lebend heraus. Dieselbe war mit der Handarbeiterin Gustine Strauch, Donaufeld, Vereinsstraße 1, identisch und erklärte, daß sie kurz vorher von ihrem früheren Geliebten, dem Zuckerbäckergehilfen Josef Sara, 1879 geboren, Floridsdorf, Hauptstraße 6, in Arbeit stehend, anläßlich eines Streites in die alte Donau vom Ufer aus geschleudert worden sei, worauf dieser entflohen wäre. Sara wurde noch im Laufe derselben Nacht vom Polizeiagenten Franz Kluger in einem Gasthause verhaftet.

Derselbe leugnete bei seiner Einvernahme auf das Entschiedenste, seine Geliebte in’s Wasser geworfen zu haben. Er wurde jedoch dem hiesigen Bezirksgerichte als Untersuchungsgericht eingeliefert. Nach neun Tagen wurde Sara, da sich die Anzeigerin in Widersprüche verwickelte, aus der Haft entlassen und das Strafverfahren gegen ihn eingestellt. Die Staatsanwaltschaft erhob nun gegen Gustine Strauch die Anklage wegen Verbrechens der Verleumdung und Betruges, begangen durch falsche Zeugenaussage. Die Angeklagte blieb dabei, daß sie von Sara, dessen Liebe sie verschmähte, durch zwei Stöße über die Böschung des steilen Donauufers in’s Wasser geworfen worden sei, während Sara das Gegentheil behauptete und angab, daß er das Verhältniß aus eigenem Antrieb gelöst habe. Ein großer Zeugenapparat wurde zur Begründung der Anklage aufgeboten.

Die letzte in Korneuburg stattgehabte Verhandlung wurde über Antrag des Staatsanwaltes Doctor Lux vertagt, um an der Stelle, wo die Strauch aus dem Wasser gezogen wurde, einen Localaugenschein vorzunehmen. Vergangenen Samstag fand nun der Localaugenschein statt, wonach sich die Gerichtscommission in den Verhandlungssaal des Bezirksgerichtes Floridsdorf begab, um die Strafsache zu erledigen. Die Verhandlung leitete Oberlandesgerichtsrath Dr. Gschöpf, die Anklage vertrat Staatsanwalt Dr. Lux.

Der Angeklagten war als ex offo-Vertheidiger Notar Dr. Fried beigegeben. Nach Verlesung der umfangreichen Anklageschrift und Recapitulation der früher durchgeführten Verhandlungen und unzähliger Zeugenaussagen frug der Vorsitzende die Angeklagte, ein hübsches, aufgewecktes Mädchen, ob sie sich schuldig bekenne, welche Frage die Angeklagte mit einem lauten „Nein“ beantwortete. Der weitere Verlauf der Verhandlung war, abgesehen von einigen kleinen komischen Zwischenfällen, uninteressant. So gelangte ein Liebesbrief, in Versen abgefaßt, zur Verlesung und Herr Dr. Fried nennt einmal seine Clientin die „geehrte Angeklagte“.

Staatsanwalt Dr. Lux beantragt die Bestrafung, der Vertheidiger plaidirt auf Freispruch. Der Gerichtshof sprach nach längerer Berathung die Angeklagte frei, mit der bemerkenswerthen Begründung, daß ein Selbstmord im concreten Falle schwer anzunehmen sei und daß die Angabe der Strauch, sie wäre in’s Wasser gestoßen worden, nicht widerlegt erscheine. Der Staatsanwalt meldete gegen den Freispruch die Nichtigkeitsbeschwerde an. Floridsdorfer Zeitung, 23. Oktober 1897

 

Bild: Verlag.

Infos: Thomas Hofmann; Es geschah in

Transdanubien – Neuigkeiten und Bilder von

damals. Edition Winkler-Hermaden. Erhältlich

ab 25. Mai im Buchhandel und direkt

beim Verlag (€ 21,90): www.edition-wh.at