Dass Floridsdorf in der Geschichte der österreichischen Motorluftfahrt eine entscheidende Rolle spielte, ist allgemein bekannt (wir sprechen hier natürlich vom transdanubischen Floridsdorf zwischen 1904 und 1938): Ab 1912 wurden in Aspern große Flugmeetings veranstaltet und 1923 errichtete die Österr. Luftverkehrs-A.G. ihren ersten Landeplatz am Inundationsgebiet bei Jedlesee. Weniger bekannt ist, dass auch der erste erfolgreiche Motorflug in Floridsdorf stattfand. Das kam so:
Als Henri Farman im Oktober 1908 in Frankreich der erste Überlandflug gelang, war auch der Direktor des Theaters an der Wien und des Raimund-Theaters, Karl Wallner, vor Ort. Er war so begeistert, dass er ein großes Geschäft witterte: Noch auf der Landebahn kaufte er das Flugzeug, ein Voisin-Farman I, und ließ es nach Wien transportieren, wo es im Februar 1909 ankam. Geplant waren Vorführungen beim Arsenal, doch der als Pilot engagierte Eugen Legagneux entschied sich für das Inundationsgebiet bei der Reichsbrücke, das für das geplante Flugspektakel adaptiert wurde. Der Flug verzögerte sich wegen Schlechtwetters und Schäden am Flugzeug immer wieder, doch am 22. April fand vor zahlreichem Publikum die erste Vorführung statt. Zunächst missglückte der Start, doch wegen einer zunehmend drohenden Haltung der Zuschauer versuchte es Legagneux nochmals und es gelang ihm, etwa 300 Meter in zwei Metern Höhe zu fliegen. Der Flug war gelungen! Selbst die „Neue Freie Presse“ konstatierte, das sei „der erste Flug über österreichischem Boden“ und ein „historischer Tag“ in der Geschichte der Aviatik in Österreich gewesen.
Von Matthias Marschik
Nun erwartete die Wiener Bevölkerung und die Presse eine weitere Steigerung. Doch hatte die erste Vorführung mit einer Bruchlandung sowie einer Verwundung des Piloten geendet. Weitere Auftritte wurden daher auf den Mai verschoben, wurden jedoch allesamt zu Misserfolgen: Zwar versammelten sich mehrmals zehntausende Schaulustige, doch technische Pannen und Wetterkapriolen verhinderten weitere Aufstiege. Das zahlende Publikum, aber auch das Heer der Gratisblitzer auf dem Hubertusdamm, wurde zornig, die Zeitungen verhöhnten Legagneux als Feigling und Drückeberger. Schließlich kehrte der Pilot in seine Heimat zurück, das Flugzeug landete im Museum.

Dass dem Flug am Überschwemmungsgebiet letztlich die gebührende Bewertung versagt blieb, lag einerseits an den enttäuschten Erwartungen des Publikums und der Presse, die angesichts fliegerischer Sensationsmeldungen aus aller Welt auch für Wien mehr als einen bescheidenen „Hupfer“ erwartet hatten. Es lag aber auch an der Einschätzung der Fachleute, die die Vorführungen als flugtechnisch „völlig wertlos“ ansahen, war sie doch dem Kalkül eines Theaterimpressarios zu verdanken, der mit einem Spektakel Geld scheffeln wollte – und dabei Schiffbruch erlitt.
Dennoch: Wenn heute oft ein Rundflug Louis Blériots im Herbst 1909 auf der Simmeringer Haide als erster Motorflug in Österreich bezeichnet wird, ist das schlicht falsch, denn der erste fand am Inundationsgebiet in Floridsdorf statt.
