Floridsdorfs unbekannter Friedhof wird restauriert

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Jüdischer Friedhof in Floridsdorf. Bild: DFZ.
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Floridsdorfer Friedhöfe sind ein Ort der Ruhe und Besinnlichkeit. Oder liegen gar, wie der Stammersdorfer Ortsfriedhof, idyllisch am Abhang des Bisambergs. Als idyllisch kann die Lage des Jüdischen Friedhofs in Floridsdorf an der Ruthnergasse nicht gerade bezeichnet werden. Dennoch spiegelt die Begräbnisstätte eine längst vergangene Zeit in der Geschichte des 21. Bezirks wider. In den nächsten Jahren starten Instandsetzungsarbeiten.

Direkt an der Ruthnergasse, exakt am Schnittpunkt mit der Shuttleworthstraße und der Siemensstraße liegt der Jüdische bzw. Israelitische Friedhof. Auch die Floridsdorfer Hochbahn, Teil der Schnellbahntrasse, grenzt fast direkt an das knapp mehr als 2000 m2 große Grundstück. Tausende fahren täglich am Arbeitsweg vorbei, dass hier unzählige Familien der einst blühenden jüdischen Gemeinde Floridsdorf ihre letzte Ruhestätte haben, bemerkt kaum jemand. Eingetreten, befindet man sich nur nach wenigen Metern weit weg vom Verkehrslärm in einer anderen Welt.

Grabstein am jüdischen Friedhof. Bild: DFZ.
Grabstein am jüdischen Friedhof. Bild: DFZ.

Im Zweiten Weltkrieg wurde der Friedhof durch ein Bombardement einer nahen Fabrik verwüstet, aber nicht zerstört. Zum Glück gab es hier keine Vandalenakte, wie etwa am Jüdischen Friedhof in Währing. Heute ist er im Besitz der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG).

Jahrelang ist es jedoch vor allem privater Initiativen zu verdanken, dass der Friedhof sich nicht komplett verfallen präsentiert. Hervorzuheben ist das Engagement des bereits verstorbenen Erich Sinai und seiner Frau Kitty. Und ein Projekt des Gymnasiums Ödenburgerstraße, Ende der 90er Jahre, arbeitete präzise die Geschichte der jüdischen Gemeinde im 21. Bezirk, so wie alle etwa 90 Gräber auf.

Die Geschichte im Zeitraffer: Nach 1850 beginnt die jüdische Gemeinde in Floridsdorf, auch dank Zuwanderung aus Mähren und der Slowakei zu wachsen. Im Jahr 1877 sind in Floridsdorf „111 israelitische Familien mit 641 Köpfen sesshaft“. 1877 wird das Grundstück in ‘Neu-Leopoldau’ angekauft, 1881 wird der Friedhof erweitert, 1883 eine Zeremonienhalle errichtet. 1880 wird der spätere Reichsrat Dr. Josef Samuel Bloch „Floridsdorfer Bezirksrabbiner“. Etwa zur gleichen Zeit wird in der Holzmeistergasse 12 eine Synagoge errichtet, die in der Reichskristallnacht im November 1938 zerstört wird. Bis dahin war die jüdische Gemeinde ein fester Bestandteil, auch des Floridsdorfer Geschäftslebens. Am bekanntesten: Das Kaufhaus Wodicka – heute der Bettenreiter, und vis a vis das Bekleidungsgeschäft Sinai, im damals wunderschönen Lehndorfer Hof.

Die Stadt Wien hat mit der IKG eine Pflegevereinbarung getroffen, eine Million Euro pro Jahr werden zur Verfügung gestellt. Bis 2020 wird auch der Jüdische Friedhof in Floridsdorf an der Reihe sein, wie Martin Eck von der IKG berichtet: „Von den Grabsteinen geht natürlich ein gewisses Gefahrenpotential aus und wir formulieren, in Abstimmung mit dem Denkmalschutz, Restaurierungsziele.“

Öffentlich zugänglich soll der Friedhof aber auch nach den Instandsetzungsarbeiten nicht sein: „Da immer ein Gefahrenpotential bleibt und es auch kranke Seelen und Vandalismus gibt.“ Zugänglich ist der Friedhof in Absprache mit der IKG aber dennoch. Eck: „Wir machen öfters Spezialführungen. Gäste aus den USA und der ganzen Welt kommen und wollen die Gräber ihrer Vorfahren sehen.“

Offiziell ist der Friedhof seit 1978 geschlossen, Beerdingungen können mit Ausnahmegenehmigungen dennoch stattfinden. Bis heute fanden in knapp 140 Jahren 1.391 Beerdigungen statt. Auf den Grabsteinen finden sich auch Namen einiger Berühmtheiten: Schauspieler und Komiker Fritz Heller spielte mit Farkas im Simpel, Ignaz Wodicka gehörte das bekannte Kaufhaus Am Spitz, Siegmund Deutsch gewann 1912 das populäre „Schwimmen durch Wien“ oder Emanuel Grünwald (Grabstelle siehe Bild unten), Direktor des Floridsdorfer Spar- und Kreditvereins.
-Hannes Neumayer