Gisela – eine Floridsdorfer Attraktion

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Postkarte Gisela-Hof mit Gisela-Sälen. Bild: Privatsammlung DFZ/Hannes Neumayer.
Postkarte Gisela-Hof mit Gisela-Sälen. Bild: Privatsammlung DFZ/Hannes Neumayer.

Eine Postkarte, die sich anhand eines Details exakt auf 1903 datieren lässt, ist Ausgangspunkt für eine Reise durch die Bezirksgeschichte. Im Mittelpunkt: Gisela!

Bezeichnet ist die Correspondenz-Karte mit ,Gisela Hof‘. In der Bildmitte sieht man die legendären Gisela Säle, mit der Adresse Frömmlgasse 42, links daneben den Gisela Hof (42a). Zweiterer steht noch heute und ist anhand des abgerundeten Erkers als Prager Straße 13 (Ecke Frömmlgasse) zu identifizieren. Links davon sieht man das – bis vor wenigen Tagen bestehende – kleine Haus auf der Prager Straße, in dem die Floridsdorfer Stubn war. Ganz rechts im Bild: die Stryeckgasse, die es damals schon gab. Zur Datierung hilft der eingekleidete Turm im Hintergrund. Das ist der bis zum 2. Weltkrieg existierende Uhrturm des Floridsdorfer Amtshauses, der 1903 fertiggestellt wurde. Der Aufnahmestandpunkt ist in etwa im Knick der Arnoldgasse, den nahen ,rosa Bau‘ und den Häuserblock zur Prager Straße gab es noch nicht. Quasi hinter dem Aufnahmestandpunkt wäre damals die Nordwestbahn zum Bahnhof Jedlesee gefahren.

Zurück zu den Gisela Sälen. 1900/1901 nach Plänen des Floridsdorfer Architekten Friedrich Dietz von Weidenberg (von dem Schüler Otto Wagners stammen auch das Sild-Haus und das Mautner-Schlössel) als Theater, Konzertsaal und Tanzlokal von Josef Heller errichtet, waren sie rasch das angesagte Etablissement im 1904/05 eingemeindeten 21. Bezirk. 1901-1909 fand der noch heute bestehende Floridsdorfer Männergesangverein ,Harmonie 1865‘ hier seine Heimat, es gab Theatervorstellungen, etwa am 4. April 1903 die Operetten-Posse ,Ein armes Mädel‘ von Leopold Krenn und Karl Lindau. Zwei Tage später wurde am Nachmittag Schneewittchen aufgeführt und am Abend die ,Sensationsnovität‘ ,Im Zeichen des Kreuzes‘.

Um 1906: Blick in etwa von der Hermann-Bahr-Straße Richtung Spitz. Am Haus rechts ist die Bezeichnung Gisela-Hof erkennbar. Foto: Bezirksmuseum Floridsdorf.
Um 1906: Blick in etwa von der Hermann-Bahr-Straße Richtung Spitz. Am Haus rechts ist die Bezeichnung Gisela-Hof erkennbar. Foto: Bezirksmuseum Floridsdorf.

Auch das ebenso legendäre Lichtspieltheater ,Weltbild‘ startete hier 1909, bevor man zwei Jahre später nur einen Steinwurf weiter an der Prager Straße das Kino errichtete. Gäste und Schauspieler trafen sich gerne im Café Schell auf der Prager Straße, in der Frömmlgasse im Gasthaus des Josef Sickha oder auf der Floridsdorfer Hauptstraße im Café Wald (später Leitner), gibt Bezirkshistoriker Franz Polly 1989 in seinen ,Floridsdorfer Spaziergängen‘ ein Füllhorn an Informationen preis.

Der  ,Verband der Arbeitervereine von Floridsdorf und Umgebung‘ feierte in den Gisela-Sälen 1904 sein zehnjähriges
Bestandsfest, 1905 fand die sozialdemokratische Wählerversammlung statt. Legendär sollen aber „rauschende Ballfeste in den
Faschingszeiten“ gewesen sein. Polly: „Das Etablissement Gisela-Säle war eine Attraktion für Floridsdorf, bekannt und beliebt wegen seines spiegelglatten Tanzparketts. Die weiträumig angelegten Lokalitäten erlaubten Veranstaltungen von 500 bis 600 Personen.“

Mit Beginn des 2. Weltkrieges endete diese Zeit abrupt. Betten wurden in den großen Saal gestellt und zur Kasernierung von Soldaten verwendet. Später waren hier Kriegsgefangene untergebracht, die in den Fabriken der Umgebung arbeiten mussten. Nach dem Krieg dauerte es aufgrund der vielen Schäden neun Jahre, bis ein Schlosser Reparaturen vornahm, umbaute  und „gefeilt und gehämmert“ wurde. Mitte der Sechziger Jahre wurde aus den Gisela Sälen ein Möbellager eines Tischlermeisters. Die allerletzten Reste im hinteren Teil wurden noch lange als Requisite des Gloria Theaters genutzt und wichen vor wenigen Jahren einem Neubau.

Benannt sind Säle wie Hof (wahrscheinlich) nach der zweiten Tochter von Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth: Gisela. Heute fährt noch ein Raddampfer gleichen Namens (mit genietetem Stahlrumpf) am oberösterreichischen Traunsee. Das Schiff wurde 1873 nach Plänen von Joseph John Ruston in Floridsdorf in der Schwarzlackenauer Werft gebaut (die lag knapp nördlich der heutigen Nordbrücke auf der Insel direkt an der Donau). Kurz darauf musste die Werft im Zuge der ersten Donauregulierung weichen. Detail: Ruston war der Urgroßvater der Hollywood-Schauspielerin Audrey Hepburn.

Eine Gisela gibt es noch heute. Hinter dem Standpunkt des Fotografen der Correspondenz-Karte und noch vor der heutigen Nordbrücke gibt es eine elf Parzellen große Kleingartenanlage: Gisela – eine der ältesten Kleingartenanlagen Floridsdorfs. Das Areal der Anlage umfasste 1905 sieben Hektar und wurde von Prager Straße, Frömmlgasse, Schwaigergasse und der im Jahre 1872 errichteten k.k. priv. österr. Nordwestbahn begrenzt. Als Gründungsjahr gilt 1909, in der Zwischenkriegszeit knabberte die Wäscherei der nahen Hammerbrotwerke die ersten Parzellen ab. In den Sechzigerjahren schrumpfte die Kleingartenanlage durch den Bau der Nordbrücke und von Wohnbauten auf zehn Parzellen und ganze 1.500 m². Dann wurde auch noch das Weltbildkino abgerissen, wo sich der Wasseranschluss der Kleingärtner befand. Ein Parkplatz oder ein Park sollten statt Gisela errichtet werden. Logisch, dass keiner der Pächter mehr Geld investierte. „Im Jahre 1995 erwachte Gisela überraschend aus dem Dornröschenschlaf“, heißt es auf der Homepage: Die Gärten wurden neu vergeben und die Anlage wurde durch die Widmung Erholungsgebiet Kleingarten abgesichert. „Der Kleingartenverein Gisela ist eine liebliche grüne Oase unseres Bezirkes, die wieder in neuem Glanz erstrahlt!“ Und die letzte Überlebende der ,Giselas‘ in Floridsdorf. -Hannes Neumayer