Großfeldsiedlung schon fast ein Ghetto?

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Hannes Taborsky (links) und Leon Wassiq. Bild: Jansa.
Hannes Taborsky (links) und Leon Wassiq. Bild: Jansa.
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Die Großfeldsiedlung macht immer wieder Schlagzeilen. Oft negativ: Polizeieinsätze, Jugendbanden oder Silversterrandale. Die ÖVP fordert jetzt intensivere Maßnahmen: „Sonst ist die Großfeldsiedlung ein Ghetto wie ein Viertel in Malmö.“

Beim Lokalaugenschein am Vormittag unter der Woche zeigt sich die Ecke Dopschgasse und Kürschnergasse idyllisch: Sonnenschein, grüne Wiesen, Parks und weitläufige Grünflächen. Wer die Videos von Silvester kennt, weiß, die GFS kann auch schon mal an ein Kriegsgebiet erinnern. ÖVP-Floridsdorf-Chef Leon Wassiq kennt die Gegend wie seine Westentasche, er ist hier aufgewachsen: „Ich bin mit vielen auch heute in Kontakt und die erzählen unglaubliche Geschichten: Beim Bayram (Anmerkung: Das Zuckerfest wird immer am Ende des Ramadan gefeiert) war ein Riesenfest, bei dem es zu Ausschreitungen gekommen ist. Bewohner erzählen, dass sie sich nicht mehr raus trauen. Ich durfte als Kind bis am Abend am Spielplatz sein und Fußball spielen. Das geht heute nicht mehr: Viele Leute lassen ihre Kinder nicht mehr raus, weil da nehmen ihnen Jugendbanden das Handy ab. Junge Mädchen, die vielleicht nicht ganz verschleiert sind, werden von den sogenannten Sittenwächtern aufgehalten.“

Hannes Taborsky, Gemeinderat der ÖVP war im März in Malmö, „da haben sie das Viertel Rosengård als Ghetto definiert und dort sieht es aus wie in der Großfeldsiedlung“. Die ÖVP-Politiker sehen das Leopoldauer Großgrätzel mit 5.500 Wohneinheiten, 13.000 Einwohnern als Kriminalitäts-Hotspot, „nur 56 % haben die Staatsbürgerschaft“: „Wenn es so weiter geht werden wir hier wie in Rosengård Schußwaffenattentate und Handgranaten auf Polizeistationen erleben.“ Vor allem Jugendlichen sollten Perspektiven und Alternativen aufgezeigt werden: „In einer Gang sein ist nicht cool!“

Die Lösung zeige Kopenhagen, nur eine Brücke von Malmö entfernt: „Menschen müssen vom Kindergarten an verpflichtend die Landessprache sprechen. Das erhöht die Bildungs- und Ausbildungschancen. Und das bedeutet dann einen Arbeitsplatz. Dann sind sie von der Straße weg. Man muss die Leute auch dazu zwingen, sonst bekommt man es nie in den Griff.“ Außerdem will die ÖVP ein umfassendes Sicherheitskonzept für die GFS, denn nicht nur der Bahnhof Floridsdorf wäre ein Problemviertel.

Floridsdorfs Stadtpolizeikommandant Oberst Michael Holzgruber. Foto: LPD Wien/ Thomas Cerny.
Floridsdorfs Stadtpolizeikommandant Oberst Michael Holzgruber. Foto: LPD Wien/ Thomas Cerny.

„Die Lage in der Großfeldsiedlung ist stabil“, berichtet Floridsdorfs Stadtpolizeikommandant Oberst Michael Holzgruber (Bild links) im DFZ-Gespräch. Zwar gäbe es mit Jugendlichen immer wieder einzelne Vorfälle, aber gehäufte Problemlagen registriert die Polizei nicht: „Wenn junge Menschen öffentlichen Raum nutzen, passiert auch was. Dann reagieren wir mit Kontrollen und Präsenz. Auch wenn manche Meldungen aus subjektiver Sicht – durchaus verständlich – sehr dramatisch klingen: In der Großfeldsiedlung gibt es keine strafbare Bandenorganisation in Gruppen.“

Das gilt auch für Handys, die Jugendliche anderen Jugendlichen abnehmen. Diesbezügliche Einzelfälle bestätigt Holzgruber: „Würde das aber permanent vorkommen, also organisiert, wären wir sofort hellhörig und würden einschreiten.“

Und beim Zuckerfest wären viel mehr Menschen als früher unterwegs gewesen. Probleme ortet Holzgruber aber eher bei den Menschenmassen rund um die Moschee am Bruckhaufen an solchen Feiertagen. Diesbezüglich sollen Gespräche mit Bezirksvorstehung und Magistrat geführt werden, „um das in Zukunft anders zu gestalten“.

Die Aufgabe der Polizei sei es, Situationen möglichst objektiv zu überprüfen: „Wir können fundierte Analysedaten einbringen. Die Polizei ist auch nicht der Gegner der jungen Menschen. Wir setzen gemeinsam mit anderen Organisationen stark auf Prävention und haben dafür eine eigene Beamtin in der Kürschnergasse abgestellt.“ -Hannes Neumayer