Seilbahn auf den Kahlenberg: Park-& Ride-Anlage an der Neuen Donau!

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Ungefähre Lage der Stationen in Floridsdorf. Bild: Google Maps/Google Earth.
Ungefähre Lage der Stationen in Floridsdorf. Bild: Google Maps/Google Earth.

Ein immer ernster werdendes Seilbahnprojekt auf den Kahlenberg sollte Floridsdorf hellhörig machen: Denn gleich zwei Stationen liegen im 21. Bezirk. In Strebersdorf soll es – kein verfrühter April-Scherz – eine Park-and-Ride Anlage an der Neuen Donau geben. Eine Konzession wurde vom Gericht erteilt.

Seit 2016 geistern mehrere Seilbahnprojekte auf den Kahlenberg durch Wien: Bislang eher Hirngespinste, hat die Genial Tourismus- & Projektentwicklung GmbH nach jahrelangen (Gerichts-)Verfahren vom Bundesverwaltungsgericht eine Konzession für den „Betrieb einer kuppelbaren Einseilschwebe-Umlaufbahn mit Kabinen“ erteilt bekommen. Die Seilbahn soll vom Öffi-Knoten Heiligenstadt nach Jedlesee gehen (die Station wäre gleich beim Grillplatz Überfuhrstraße Richtung Nordbrücke), weiter zur Station Strebersdorf (eigentlich Schwarzlackenau: circa 200 Meter südlich der Zufahrt zum Segelzentrumparkplatz, Höhe Voltelinigasse) und dann auf den Kahlenberg.

Aus den Gerichtsunterlagen gehen Details hervor: Eine 5,6 km lange Seilbahntrasse, 23 Seilbahnstützen, 351 bis 358 Tage pro Jahr Betrieb, mehrere hundertausende Fahrgäste, keine Umweltverträglichkeitsprüfung. Laut Projektbetreiber werden in 115 Kabinen je zehn Personen mit 21 km/h bis 1800 Personen pro Stunde in 20 Minuten auf den Kahlenberg gebracht werden. Kosten 70 Millionen, ab Sommer 2025 soll zehn Monate gebaut werden. Das baurechtliche Verfahren im Klimaministerium soll im Sommer eingereicht werden.

„Als ‘Mittelstation’ beherbergt die Station Strebersdorf einerseits den Bahnhof für die Seilbahnkabinen und andererseits eine Park & Ride-Anlage, „die insbesondere der Entlastung der Nordeinfahrt und der Nordbrücke dienen soll. Es werden circa 630 PKW Stellplätze in einem dachseitig begrünten Parkhaus eingerichtet und es werden 1.000 Bike-Boxen und E-Bike Ladestationen installiert.“ Direkt im Erholungsgebiet an der Neuen Donau. Dafür soll es sogar einen eigenen Autobahnzubringer geben.

Mit Ausnahme der Stadt Wien stimmen sämtliche Grundeigentümer der Inanspruchnahme ihrer Grundstücke zu. Wiens Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky hat sich negativ zum Projekt geäußerst und Floridsdorfs Bezirksvorsteher Georg Papai meinte bereits 2017: „Ob ein solches Projekt mit dem Charakter der Donauinsel in Einklang zu bringen ist, ist fraglich.” Auch die FPÖ wird – laut Klubobmann Karl Mareda das Projekt ablehnen. Und auch die Grünen stehen dem Projekt kritisch gegenüber: “Wir sehen Seilbahnprojekte eher unter dem Aspekt Showcharakter. Da gibt es bei den Öfffis wesentlich sinnvollere Bus- oder Straßenbahnprojekte“, so Bezirksrat Alexander Polansky. ​ÖVP-Gemeinderat Erol Holawatsch ​will „innovativen Ideen gegenüber offen sein. Wichtig wird sein, die Anrainer ausreichend einzubinden. Das Projekt muss man sich genau ansehen.​ Klar ist: Man muss die Seilbahn mit einem Fahrschein der Wiener Linien benutzen können.“ ÖVP-Klubobmann Leon Wassiq: „„Wir sind dazu im engen Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern und grundsätzlich begrüßen wir klimaneutrale Mobilitätsformen für Floridsdorf! Das wichtigste dabei ist, dass die Privatsphäre der Anrainer weiterhin gewahrt wird und das Naturschutzgebiet erhalten bleibt. Zudem muss die Seilbahn ins Floridsdorfer Verkehrskonzept eingegliedert werden und die Nutzung auch mit den Wiener Linien Tickets ermöglicht werden.“ Die Stimmung im Bezirk ist also größtenteils skeptisch: Von den Gondeln hätte man (teils) Einblick in private Siedlungsgebiete und das Projekt zieht unnötigen Verkehr in den Bezirk.

Gerade Donauinsel bzw. Neue Donau sind Schutzgebiete und im Unterschied zum Bereich Reichsbrücke bis Floridsdorfer Brücke ist der nördliche Abschnitt ruhig und naturbelassen. Zwischen Nordbrücke und Schleuse gibt es mit Poidl- und Schilfhütte und Segelzentrum ganze drei Lokale. Zum Glück, werden viele Floridsdorfer sagen. Mit der Ruhe wäre es durch das Seilbahnprojekt vorbei. Die Betreiber sehen das natürlich anders: „Durch den direkten Anschluss an die U4 Heiligenstadt kann die Anfahrt mit dem eigenen PKW weitgehend vermieden werden. Floridsdorf bekommt einen direkten Anschluss an die U4-Station Heiligenstadt.“ Auf die Anrainer in der Schwarzlackenau will man Rücksicht nehmen: „Insbesondere wurde die Trasse so gewählt, dass sie keine bewohnten Liegenschaften quert. Neben den Jedleseer Kleingärten verläuft die Strecke der Seilbahn hinter der bereits bestehenden Lärmschutzwand …“

Route der geplanten Seilbahn laut bei Gericht eingereichter Unterlagen. Bild:ris.gv.at
Route der geplanten Seilbahn laut bei Gericht eingereichter Unterlagen. Bild:ris.gv.at

Der Betreiber versucht das Projekt nicht nur als touristisch, sondern auch als Öffi-Projekt zu verkaufen. Pendler würden so zur U-Bahn nach Heiligenstadt kommen: „Das Projekt Seilbahn Kahlenberg ermöglicht eine umweltfreundliche Erschließung der Naherholungsgebiete Donauinsel Nord und Kahlenberg und bietet damit künftig – neben einer für den Standort Wien wichtigen Tourismusattraktion –ein modernes Mobilitätsangebot im urbanen Raum für alle Wienerinnen und Wiener.“ Ob das realistisch ist, beurteilen Anlalysen der Stadt Wien ganz anders als Gutachten der Betreiber. Das Gericht hat die Argumente des Betreibers quasi bevorrangt: Das öffentliche Interesse wiegt schwerer als naturschutzrechtliche und wasserrechtliche Bedenken und solche bezüglich Beeinträchtigung des Hochwasserschutzes. „An den fundamentalen inhaltlichen Bedenken der Stadt Wien hat sich nichts geändert“, erklärt die MA22.

Warum die Genial Tourismus- & Projektentwicklung GmbH sich mit der Stadt Wien anlegt, ist unklar. Allerdings wurde – das geht aus den Gerichtsakten hervor – bereits ordentlich in Gutachten, etc. investiert. Naturschutzrechtliche Bewilligung oder Antrag für das Projekt bei der MA22 liegt nicht vor. Und ist eigentlich für geschützte Gebiete an der Neuen Donau bzw. Donauinsel kaum vorstellbar. Bisher galt: Hände weg von Donauinsel und Neuer Donau. Im Gerichtsurteil heißt es: „Aufgrund der oben beschriebenen erwartbaren Beeinträchtigungen der Landschaftsgestalt ist in großen Teilen des Untersuchungsraums während der Betriebsphase mit schweren Eingriffen in das Schutzgut zu rechnen.“

Gutachten zufolge ist – laut Betreiber – mit der Seilbahn Kahlenberg eine Reduktion des motorisierten Individualverkehrs, sowie des jährlichen CO2-Ausstoßes hinauf auf den Kahlenberg, um bis zu 50 Prozent zu erwarten. Stattdessen geht es mit der Seilbahn in weniger als 20 Minuten von Heiligenstadt auf den Kahlenberg – und das komplett klimaneutral: „Durch den geringen Flächenverbrauch und die Entsiegelung des Parkplatzes am Kahlenberg weist das Bauvorhaben sogar eine positive Entsiegelungsbilanz auf.“
 
Der Projektbetreiber und die erforderlichen Auflagen
 
Hinter der Seilbahn Kahlenberg steht die österreichische Genial Tourismus- und Projektentwicklungs-GmbH, die sich im Eigentum der Erbauer der beliebten Erlebniswelt Kahlenberg (u. a. Waldseilpark, 3D Bogensportparcours) befindet, denen die Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs auf den Kahlenberg ein großes Anliegen ist. Die Errichtungskosten werden rund 70 Mio. Euro betragen. Umgesetzt wird das Projekt von einem der weltweit größten Seilbahnproduzenten, der LEITNER AG aus Südtirol, Generalplaner der Seilbahn Kahlenberg ist das renommierte Architekturbüro WGA ZT GmbH aus Wien.

Die Neos begrüßen „grundsätzlich Seilbahnen als Teil eines urbanen Mobilitätskonzeptes. Beim angestrebten Projekt in Döbling gilt es, diverse Interessenslagen zu berücksichtigen. Es sind einige Verfahren offen, deren Ergebnisse abzuwarten sind“, heißt es in einer Stellungnahme von Neos-Wien-Klubobfrau Bettina Emmerling. Aus dem für Naturschutz zuständigen Ressort von Stadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) heißt es, man habe bei dem Projekt „fundamentale, inhaltliche Bedenken“. „Bestrebungen privater Akteure, eine Seilbahn zum Kahlenberg umzusetzen, bestehen seit 2016. Seitdem hat die Wiener Stadtverwaltung diese Ideen wiederholt genauestens geprüft und auf dem Wege der ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten stets ihre fundierten Bedenken kundgetan“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme.„Bei allen Überlegungen müssen die Anrainerrechte gewahrt bleiben, und es gilt, den Wienerwald bzw. Biosphärenpark Wienerwald zu schützen. Die Grundidee, eine weitere Mobilitätsform in unsere Stadt zu bringen, halte ich prinzipiell für positiv, wobei die Zielgruppen und eine nachhaltige und wirtschaftliche Nutzung schlüssig dargestellt werden müssen“, so Döblings Bezirksvorsteher Daniel Resch (ÖVP).

Infos aus den Gerichtsunterlagen:

„In der Betriebsphase werden rd. 10.448 m² dauerhaft beansprucht, davon entfallen 5.269 m² auf Rodungen“, heißt es etwa für die Station Strebersdorf. Und weiter: „Aufgrund der Situierung im Landschaftsschutzgebiet Floridsdorf, dessen Schutzzweck u.a. auch auf die Erhaltung und Entwicklung des Landschaftshaushaltes unter Berücksichtigung auch der standortsgerechten Pflanzengesellschaften abzielt, sind im Falle des Überwiegens eines öffentlichen Interesses an der Errichtung und Betriebnahme der Seilbahn Kompensationsmaßnahmen für die dauerhaften Eingriffe erforderlich, da ansonsten wesentliche Auswirkungen zu erwarten sind.“

„Die Donauufer Autobahn, die zwischen den Siedlungen und den geplanten Anlagen liegt, stellt zusätzlich eine Sichtbarriere dar.“

„Unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die nördliche Donauinsel durch die Verwirklichung des Seilbahnprojektes für die Naherholung der Wiener besser erschlossen und genützt wird, ist – wie im Projekt angedacht – dass die beiden Haltestellen nahe der Donauinsel in das Tarifsystem der Wiener Verkehrsbetriebe mit einbezogen werden. So dies der Fall ist, kann – wegen der Überlastung des mittleren Donauinselbereiches mit Naherholungsansprüchen (zu Ermessen an der derzeitigen Nachfrage an Picknickstellen und Feuerplätzen) – mit einer massiven zusätzlichen Inanspruchnahme der nördlichen Donauinsel für Naherholungszwecke gerechnet werden. Nötig ist dann ein Ausbau mit entsprechender Infrastruktur über die bestehenden Wege und Bade-Einstiegstellen in die Neue Donau.“

Zur Errichtung kommen vier Seilbahnstationen

Station Jedlesee-Donauinsel: In sechs Minuten Fahrzeit erreicht die Seilbahn von Heiligenstadt die Station Jedlesee-Donauinsel. So wird ein barrierefreier Zugang aus der Stadt für Erholungssuchende, Radfahrer, Inlineskater und auch für Familien mit Kinderwagen in das Naherholungsgebiet der nördlichen Donauinsel geschaffen. Aus der Richtung Jedlesee-Donauinsel kommend wird eine neue Donauquerung eröffnet. 

Station Strebersdorf: Park & Ride und Bike & Ride: Als „Mittelstation“ beherbergt die Station Strebersdorf einerseits den Bahnhof für die Seilbahnkabinen und andererseits eine Park & Ride-Anlage, die insb der Entlastung der Nordeinfahrt und der Nordbrücke dienen soll. Es werden ca. 540 PKW Stellplätze in einem dachseitig begrünten Parkhaus eingerichtet und es wird für E-Bike- und Radfahrer eine eigene Bike & Ride-Anlage mit gesichertem Verwahrungsbereich-bzw. Bike-Boxen installiert.

Bergstation Kahlenberg: Der betonierte Parkplatz am Kahlenberg soll verkleinert werden und auf diesen Flächen ein Besucherzentrum mit gastronomischem Angebot etabliert werden. Im Besucherzentrum soll weiters das Biosphärenpark-Information-Center beherbergt werden, um das Projekt Biosphärenpark Wienerwald einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen zu können. 

Insgesamt werden 23 Seilbahnstützen auf Schwergewichtsfundamenten mit einem Flächenverbrauch von jeweils zwischen 24,0 m² und 160,0 m² (unterirdisch) sowie zwischen 3,0 m² und 120,0 m² (oberirdisch) installiert.