Graz hat seinen Uhrturm und Klosterneuburg sein Stift. Ottakring hat die Jubiläumswarte, Favoriten die Spinnerin am Kreuz. Und sogar die Donaustadt hat mit dem Asperner Löwen, dem Donauturm und den Donau City Towers gleich mehrere Wahrzeichen. Aber Floridsdorf, das immerhin die sechstgrößte Stadt Österreichs wäre, besitzt kein Denkmal, mit dem sich die Bezirksbewohner und – bewohnerinnen identifizieren und das nach außen ein Symbol des Bezirkes darstellt.
Dabei hätte es genügend Ansätze für Floridsdorfer Denkmäler gegeben: Zu Zeiten der Großgemeinde waren das die als Bischofssitz geplante Donaufelder Kirche oder das als Rathaus der Hauptstadt von NÖ vorgesehene heutige Amtshaus. Im „Roten Wien“ hätten der Schlingerhof oder die Gartenstadt das Zeug zum Bezirksdenkmal gehabt. Besonders die imposanten Hallen der Lokomotivfabrik hätten sich hervorragend als modernisierte Industriearchitektur, sei es als Kulturstätte oder Shopping Mall, angeboten. Bis zur Sprengung im Jahr 2010 besaß Floridsdorf mit dem größeren der Sendemasten am Bisamberg zumindest das höchste Bauwerk Österreichs.
Von Matthias Marschik
Der im Vergleich zum eleganten Hochhaus Neue Donau von Harry Seidler halbherzig konzipierte und vermarktete Florido Tower (seit 2020 „Peak Vienna“) ist da wohl kein adäquater Ersatz. So gesehen ist es gar kein Zufall, dass das monumentalste Denkmal mit Bezug zum 21. Bezirk seltsamerweise beim Westbahnhof steht: das Hessendenkmal wurde zum 100-jährigen Jubiläum der Schlacht gegen Napoleon an der Schwarzen Lacke errichtet.
Was könnte also ein Floridsdorfer Denkmal sein oder werden? Welchen Ort verbindet man mit Floridsdorf? Welches Bauwerk besitzt für den Bezirk eine identitätsstiftende Funktion?
Das markante Wahrzeichen ist wohl der 1962 fertiggestellte Schnellbahnhof. Der Franz-Jonas-Platz ist nicht nur der meistfrequentierte, sondern auch der bekannteste Ort des Bezirks. Er ist freilich kein spektakuläres Monument, sondern ein Ort des Reisens und der Passage, des Ankommens und Abreisens. Doch wenn wir davon ausgehen, dass sich ein Denkmal durch die Faktoren Emotion und Erbe definiert, dann kann der Bahnhof wohl reichlich Freude und Ärger, Gefühle des Abschiednehmens und Wiedersehens bieten. Und auch mit der Tradition Floridsdorfs als Wiege des österreichischen Eisenbahnverkehrs ist er eng verbunden. Zudem ist der Schnellbahnhof ein Symbol der stets zweischneidigen Beziehung Floridsdorfs mit „Cisdanubien“. So besehen wäre es wichtig, den Denkmalcharakter des Schnellbahnhofs beim bevorstehenden Umbau zu würdigen.
Univ.-Doz. Dr. Matthias Marschik ist Historiker und Kulturwissenschafter. Er lehrt an verschiedenen Universitäten und ist Autor zahlreicher Bücher und Aufsätze zu kulturgeschichtlichen Themen. Zuletzt erschienen u.a. Bücher über den Bisamberg, die Wiener Hausberge und das bürgerliche Floridsdorf. Matthias Marschik ist in Floridsdorf geboren, er lebt und arbeitet auch heute noch im Bezirk. Er wird ab sofort regelmäßig in der Floridsdorfer Zeitung schreiben.