Ex-Alkbottle-Sänger Roman Gregory bereitet seine neue Solo-CD vor und betätigt sich (noch) als semi-professioneller Gärtner im Donaufeld. Richtig gehört, der Kult-Meidlinger und Präsident des Fußballklubs Wiener Viktoria ist nämlich Floridsdorfer. Ein Gespräch über Künstler in Pandemie-Zeiten, schöne und weniger schöne Seiten in Floridsdorf und Lieblinsgwirten.
Wie kommt’s, dass ein Meidlinger eigentlich Floridsdorfer ist?
Roman Gregory: Blöde Antwort: Ich war immer schon Legastheniker und hab mit 12 und 21 mein Problem. Aber der wahre Grund ist, meine Schwiegereltern wohnen in der autofreien Siedlung in der Nordmanngasse. Vor etwa 15 Jahren war meine Tochter unterwegs und wir haben eine neue Wohnung gesucht und auch relativ schnell hier in Donaufeld eine gefunden. Meine Schwiegereltern kommen aus Bosnien und Montenegro und meiner Frau und mir war es wichtig, dass meine Tochter zweisprachig aufwächst. Aber auch die Nähe zur Alten Donau und dieses Grün haben mich hergelockt. Heimat ist, wo man sich Zuhause fühlt.
Viele haben ja bevor sie nach Floridsdorf ziehen von unserer Seite der Stadt eher schräge Ansichten. Stichwort Mordor, die dunkle Seite Wiens …
Früher war Transdanubien eine No-Go-Area für mich. Außer den Floridsdorfer Spitz hab’ ich so gut wie nix gefunden hier. Gut, ich hatte da auch nie was verloren. Ab und zu hat’s mich als Kind beim Ferienspiel nach Floridsdorf verschlagen oder wenn wir mit der Wiener Viktoria mal ein Auswärtsspiel hatten.

Apropos autofreie Siedlung. Ganz ehrlich: Habt’s ihr wirklich alle kein Auto?
Ich schätze, 90 Prozent der Bewohner haben kein Auto. Es gibt Einzelfälle, wie mich, der beruflich in ganz Österreich unterwegs ist und zu Unzeiten oft Personal und Gerätschaft mitzuführen hat. Das geht halt mit den Öffentlichen schwer. Aber sonst
versuche ich alles andere mit dem Fahrrad oder Öffis zu machen.
Viele Künstler zählen nicht gerade zu den Gewinnern der Pandemie. Alkbottle gibt es nicht mehr. Du bist jetzt solo unterwegs als Sänger und Moderator. Wie läuft es für Dich?
In der freien Szene ist ein gewisses ‘hop on – hop off’ Verhalten spürbar. Alle sind mit angezogener Handbremse unterwegs, weil einfach keine Planungssicherheit da ist. Und der Zick-Zack-Kurs der Regierung demoralisiert die Menschen zusätzlich. Man kann sich auf nix mehr verlassen. Was haben wir jetzt? 1G? 2G? Zweieinhalb mit Helmpflicht? Es kennt sich keiner mehr aus und darum bleiben viele daheim. Wenn Indoor eine Live-Band spielt muss man Masken tragen, wenn ein DJ spielt, dann nicht. Wo ist die Logik dahinter? Das Publikum reagiert halt dementsprechend zurückhaltend.
Ich hab’ zum Glück ein breites Betätigungsfeld. Mir wird nie fad. Aber natürlich hab ich mir während dieser Pandemie schon öfters die Frage gestellt, ob ich meinen Beruf in der Form je wieder ausführen kann.

Wann kommt neue Musik von Dir?
Die neue CD ist seit einem Jahr fertig. Die ‚Wödscheibm‘ – mein erstes, komplett selbst geschriebenes Solo-Album – soll im Jänner auf die Weltkugel kommen. Die beiden ersten Auskopplungen „Mei Raket’n“ und „A leiwande Zeit“ sind bereits auf Youtube zu sehen.
Das Ende von Alkbottle kam überraschend …
Für richtige Fans nicht, die haben das schon kommen sehen, aber heuer zu meinem 50er hab ich’s offiziell gemacht. Wir haben ja schon seit 2013 kein neues Album mehr gemacht. Nach der Christkindl-Tour 2017 war die Luft einfach draussen. Es war eine Jugendsünde, ein Jugendtraum der wahr wurde und hat länger gehalten, als ich jemals geglaubt hätte. Mit 50 wollte ich nicht mehr ein Projekt betreiben, das mir mit zwölf eingefallen ist, weil’s einfach nicht mehr authentisch war.
Jetzt ernähre ich mich zu 90% vegan und trink nur selten Alkohol. Wenn ich zum Wirten geh’, darf’s dann zwar schon einmal ein Schnitzerl und ein Bier sein, aber daheim hat sich das komplett aufgehört. Meine Tochter hat vor zwei Jahren entschieden Vegetarierin zu werden. Sie ist 14 und da lebt man mit. Und Alkohol trinkt sie auch keinen.
Apropos: Wer ist dein Lieblingswirt im Bezirk?
Ich bin vom Wirtshaus am Wasserpark begeistert. Ausgezeichnete Küche, alles bio und es ist sehr entspannt dort. Es ist nicht allzu überrennt, der Wirt setzt sich an den Tisch und erzählt, wo die Blunzen herkommt.
Wir sitzen hier in Deinem Gemüsegarten im Donaufeld. Du bist Hobbygärtner – oder bist Du schon professioneller Bauer?
Das fragt mich meine Frau auch immer. Mir sind die Hochbeete oben in der autofreien Siedlung schnell zu klein geworden und da hab’ ich eines Tages ein älteres Ehepaar kennengelernt, das seit 25 Jahren ein Haus und ein recht großzügiges Grundstück im Donaufeld von der Stadt gepachtet hat, dem die Gartenarbeit aber langsam zu viel wurde und mir einen Teil davon überließ. Hier züchte ich alles von Karotten, Paradeiser über Gurken, Kürbis, Broccoli, Melanzani, Paprika, Erdäpfel, rote Rüben, Knoblauch, Kraut, Kukurruz, Melonen und Zwiebel. Topinambur ist bei uns der natürliche Zaun. Ich bin jeden Tag minimum zwei Stunden im Garten und arbeite absolut biologisch. Für ein intaktes Gleichgewicht pfeiff‘ ich auch aufs Rasen mähen. Es wird kein Gift gespritzt, nicht mal Schneckenkorn ausgelegt, dafür gibt’s hier viele Insekten und Vögel. Ich bin in deren Gebiet und hier nur zu Gast und versuche im Einklang mit der Natur zu leben.

Was taugt Dir daran?
Man wird zum besseren Menschen im Garten, auch weil nicht alles immer so gelingt wie man’s gern hätte. Man wird flexibler, gelassener. Man lernt schnell, dass der Mensch nicht auf alles Einfluss nehmen kann. Gibt’s halt heuer keine Paradeiser und Gurken, dafür Zucchini zum Saufüttern. Meine Tochter fragt schon ‚Papa, wann essen wir wieder was anderes?‘ Sag ich: Bald, 2024. Meine ganze Bekanntschaft profitiert von meinem Wahnsinn, weil ich natürlich etliches verschenke.
Dein Gartenparadies im noch unverbauten Bereich der Nordmanngasse ist, obwohl hier erst in einigen Jahren gebaut werden soll, jetzt sehr akut in Gefahr. Wie geht’s Dir damit?
Schlecht. Nach jahrelangem Hin und Her mussten nun die Pächter diesen Sommer endgültig aus ihrem Haus ausziehen. Uns wurde zwar die Nutzung des Gartens für weitere fünf Jahre mündlich zugesagt, aber noch gibt es keinen unterschriebenen Vertrag. Wir hoffen immer noch, müssen aber damit rechnen von heute auf morgen vom Acker gejagt zu werden.
Dass gebaut werden wird, war klar…
Das ist noch in den Neunzigern beschlossen worden. Klimawandel war noch lang kein Thema. Umweltverträglichkeitsprüfungen waren standardmäßige Gefälligkeitsgutachten. Und weil dann so lang nichts passiert ist, konnte man ja darauf hoffen, dass dieses wertvolle Ackerland mitten in Wien, auch irgendwann als solches wertgeschätzt wird. Aber genau das Gegenteil ist der Fall.
Die große verwucherte Fläche neben uns wird zum Beispiel im Auftrag der Stadt verwaltet. Einmal im Jahr fahrt da der Bagger drüber und verwurschtet alles was wurzelt, kreucht oder fleucht. Und zwar genau zur Hauptbrutzeit Mitte Mai, damit sich ja keine geschützten Arten ansiedeln, die eventuell in zehn Jahren ein Problem bei der Verbauung ergeben könnten. Die Krähen ernähren sich dann wochenlang von den Tierkadavern.
Ich liebe diese Stadt und lebe gerne hier, nur geht mir diese Ignoranz, die die meisten Stadterweiterungskonzepte mit sich ziehen, sehr am Hammer. Große Politiker werden in Zukunft nicht daran gemessen, wie viele Straßen oder Wolkenkratzer sie bauen,
sondern wieviele Bäume und Wiesen sie pflanzen.
Was würdest Du für das Donaufeld bzw. Floridsdorf wünschen?
Weniger Bauarbeiter, mehr Gärtner. Ein größeres ökologisches Bewusstsein, ein
Erwachen. Bei jedem Einzelnen. Vom Mülltrennen bis zum Auto mal stehen lassen gibt’s bei jedem was, das er beitragen kann. Mutige Politiker, für ganz Wien, für ganz Österreich, die Gesetze schaffen, die es Konzernen verbieten, mit Grund und Boden so umzugehen, als wären sie endlos vorhanden. Ein Bewusstsein dafür, dass uns in der Klimakrise nur der Schutz von natürlichem Lebensraum den Arsch retten kann. Dass wirtschaftliche Interessen generell dem Artenschutz untergeordnet werden. Aber jetzt simma schon weltweit … -Interview: Hannes Neumayer
»Der Donaufelder Hopfen
Roman Gregory
muss erhalten bleiben «
