Neue Ausstellung in Wienbibliothek im Rathaus „Monument der Stadt. Rathaus Wien“

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Friedrich Schmidt, Fassadenentwurf, 1870. Bild: Wien Museum.
Friedrich Schmidt, Fassadenentwurf, 1870. Bild: Wien Museum.

Zum 200. Geburtstag seines Architekten Friedrich von Schmidt (1825–1891) blicken die Ausstellung „Monument der Stadt. Rathaus Wien“ (23. Oktober 2025 bis 30. April 2026) in der Wienbibliothek im Rathaus und eine umfangreiche Publikation hinter die prächtige neugotische Fassade: Der Bogen spannt sich von der Baugeschichte und prachtvollen Ausstattung über historische Ereignisse und Feste bis zum Alltag in einem außergewöhnlichen Verwaltungs- und Repräsentationsbau, der zu einem unverkennbaren Synonym für Wien geworden ist.

Verschiedene Aspekte erzählen von der Geschichte des Bauwerks. Ausgehend vom Alten Rathaus in der Wipplingerstraße werden frühe Rathaus-Planungen im Rahmen der großen Stadterweiterung im 19. Jahrhundert gezeigt. Die Errichtung der Ringstraße brachte 1868 auch eine internationale Ausschreibung für ein neues Rathaus, die der Architekt Friedrich Schmidt für sich entscheiden konnte. Zuerst noch in Stadtpark-Nähe geplant, wurde das Projekt von Bürgermeister Cajetan Felder in die repräsentative Umgebung von Parlament, Universität und Burgtheater verlegt und symbolisierte bürgerliches Selbstbewusstsein. Die Ausstellung visualisiert die Zusammenhänge von Stadterweiterung und Ringstraße anhand originaler Architekturzeichnungen, von Friedrich Schmidt, Fotos aus der Bauzeit und selten gezeigte Ausstattungsteile.

Das repräsentative Zentrum der Stadt

Michael Ludwig, Bürgermeister: „Das Wiener Rathaus gehört allen Wienerinnen und Wienern – es ist ihr Haus. Als lebendiger Mittelpunkt unserer Stadt verbindet es politische Entscheidungen, kulturelle Veranstaltungen und gesellschaftliches Miteinander an einem Ort. Die Ausstellung Monument der Stadt. Rathaus Wien zeigt, wie das Rathaus seit über 140 Jahren das öffentliche Leben Wiens prägt, als Bühne des Dialogs und der Mitgestaltung.“

Von Beginn an war das Rathaus auch ein Ort der Kultur und es ist bis heute einer der aktivsten Veranstaltungsorte Wiens. Das Wiener Bürgertum erhielt mit dem monumentalen Gebäude am Ring erstmals in seiner Geschichte die Möglichkeit, Feste und Veranstaltungen in einem Ausmaß zu gestalten, welche den Inszenierungen der Aristokratie und des Hofes Paroli bieten konnten. Die Ausstellung verdeutlicht, wie das Rathaus zum politischen und gesellschaftlichen Zentrum Wiens wurde, seine Funktion als Ort bürgerlicher Öffentlichkeit und demokratischer Repräsentation.

Veronica Kaup-Hasler, Stadträtin für Kultur und Wissenschaft: „Die Ausstellung Monument der Stadt. Rathaus Wien verdeutlicht die Bedeutung des Wiener Rathauses, die über die Stadthistorie hinausgeht: Es war (und ist) ein Ort österreichischer Geschichte, an dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander verwoben sind. Das Rathaus ist als Wahrzeichen nicht nur im kollektiven wie medialen Gedächtnis der Stadt verankert. Es steht für eine aufgeschlossene Stadtgesellschaft – ein Haus für alle, das den Geist Wiens als lebendige, solidarische und weltoffene Kulturmetropole widerspiegelt.“ 

Friedrich Schmidt, Längsschnitt seines Wettbewerbsentwurfes „Saxa loquuntur“, 1868. Wiener Stadt- und Landesarchiv.
Friedrich Schmidt, Längsschnitt seines Wettbewerbsentwurfes „Saxa loquuntur“, 1868. Wiener Stadt- und Landesarchiv.

Architekt Friedrich Schmidt wird mit einer umfangreichen Werkübersicht aus privaten Leihgaben von Nachfahr*innen vorgestellt, die erstmals zu sehen sind. Als Architekt gelang Schmidt der Aufstieg zum bedeutendsten Sakralarchitekten der Donaumonarchie. So war er als Dombaumeister rund 30 Jahre für die Erhaltung des Stephansdomes verantwortlich. Schmidts ausgedehnte Lehrtätigkeit prägte mehrere Architektengenerationen mit bedeutenden Vertretern des Späthistorismus.

Die Wienbibliothek und das Rathaus

Das Rathaus war von Beginn an mehr als ein Verwaltungsgebäude – der historische Prunkbau ist seit seinem Bestehen auch selbst ein Ort der kulturgeschichtlichen Forschung dieser Stadt. Anita Eichinger, Direktorin Wienbibliothek im Rathaus: „Als das Wiener Rathaus 1883 eröffnet wurde, war es talk of the town. Es zählte zu den größten Rathäusern seiner Zeit – ein prächtiger Bau, der das Selbstbewusstsein des Wiener Bürgertums eindrucksvoll zum Ausdruck brachte. Der historistische Prunkbau ist seit seinem Bestehen immer auch ein Ort der Kultur und der kulturhistorischen Forschung.“ 

Das Wien Museum und das Wiener Stadt- und Landesarchiv haben ihre Wurzeln im Rathaus. Die 1886 als Stadtbibliothek eingerichtete Wienbibliothek befindet sich noch heute in den historischen Bibliotheksräumlichkeiten der Erbauungszeit – den Ort trägt sie seit 2004 in ihrem Namen: Wienbibliothek im Rathaus.

Ein Rathhaus, wie das der Wiener, muß so organisirt sein, daß alle seine Räume jedem Bürger, auch dem Aermsten,zugänglich sind; […] das Rathhaus muß für Jeden offen sein, damit hier Jeder seine Pflicht erfüllen, sein Recht suchen kann. […] Es muß auch das Haus die Charakteristik des wahren Bürgerthums: Solidität, Einfachheit und Behäbigkeit, an sich tragen; es darf nicht schillern und glänzen, wie die Paläste der Reichen, wie die Burgen der Großen.“ Friedrich Schmidt über die Bedeutung des Wiener Rathauses.

DIE AUSSTELLUNG

KAPITEL 1 – Architektur und Ausstattung des Rathauses
(Ausstellungskabinett)

Im Ausstellungskabinett beleuchten unterschiedliche Perspektiven die Geschichte des Rathauses und machen die Zusammenhänge zwischen der Wiener Stadterweiterung ab 1857 und dem Bau der Ringstraße deutlich. Glanzpunkte sind originale Architekturzeichnungen von Friedrich Schmidt,
Architekturfotos aus der Bauzeit sowie selten bis nie gezeigte historische Ausstattungsteile aus dem Rathaus. Zahlreiche Objekte werden dabei erstmals einer breiteren Öffentlichkeit gezeigt. Höhepunkte dieses Premierenreigens sind ein prunkvoller Türbeschlag aus dem Alten Rathaus, von Friedrich Schmidt entworfene kunstgewerbliche Gegenstände sowie ein meisterhaft gearbeitetes Modell des Wiener Rathausmannes.

Im Rathaus in der Wipplingerstraße, seit dem Spätmittelalter Sitz der städtischen Verwaltung, herrschte im 19. Jahrhundert große Raumnot. Für den Gemeinderat, der 1850 im Zuge der kurzlebigen politischen Liberalisierung geschaffen wurde, richtete Architekt Ferdinand Fellner der Ältere (1815–1871) einen repräsentativen Sitzungssaal ein. Da aber während des Neoabsolutismus keine Wahlen stattfanden, wurde dieser kaum benützt. Das Stadthaus, das im Rahmen des Wettbewerbs für die Stadterweiterung 1858 geplant war, sollte primär für große Festlichkeiten und nicht als kommunaler Monumentalbau dienen. Erst die Reform der Gemeindeverfassung 1861 machte den Bau eines neuen Rathauses als Repräsentationsort der Kommune, Sitz der wichtigsten städtischen Ämter und Symbol städtischer Autonomie möglich.

Wettbewerb für ein neues Rathaus

Die Errichtung der Ringstraße brachte 1868 auch eine internationale Ausschreibung für „ein neues, den praktischen Bedürfnissen, den Anforderungen der Kunst und der Würde der ersten Stadt des Reiches entsprechendes Rathhaus“ mit Standort am Parkring, Symbol für ein neues Selbstbewusstsein als
Hauptstadt. Eine hochkarätige Jury – darunter unter anderen Heinrich Ferstel (1828–1883), Theophil Hansen (1813–1891) und Gottfried Semper (1803–1879) – wählte im Oktober 1869 aus 64 anonymisierten Wettbewerbsbeiträgen das Projekt mit der Devise „Saxa loquuntur“ („Die Steine sprechen“) von Friedrich Schmidt, der zu dieser Zeit als Dombaumeister von St. Stephan tätig war.

„Wenn an mich die Frage gerichtet wird, in welchem Stile das Rathhaus gebaut sei, ob gothisch? so muss ich offen bekennen, dass ich es nicht weiss. Wenn man mich früge, ob es im Stile der Renaissance gebaut sei, so muss ich
antworten, dass ich es nicht glaube; wenn aber irgend etwas charakteristisch für den Stil des Baues ist, so mag es der Geist der Neuzeit im eigentlichen Sinne des Wortes sein, der sich voll in ihm ausspricht.“

Friedrich Schmidt

Der damals 44-jährige Architekt stand damit auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Ganz im zeitgenössischen Geist des Historismus plante Friedrich Schmidt das Rathaus als eine Mischung aus säkularisierter Religion, mittelalterlichem Bürgersinn, Renaissance-Elementen und modernem Funktionalismus. Als administratives und politisches Zentrum sollte es als Denkmal für die Macht des Bürgertums stehen. Gleichzeitig kam mehr als die Hälfte der verbauten Fläche den weitläufigen, für die Öffentlichkeit geplanten Räumen zu, die eine Aura von Glanz und Pracht ausstrahlen sollten.

Schmidt hatte sich bereits mit Sakralbauten einen Namen gemacht, was Kritiker auf den Plan rief: Werde die Wahl des gotischen, mit der (katholischen) Kirche in Verbindung gebrachten Stils für ein modernes, profanes Bauwerk an der Ringstraße nicht als Fremdkörper wirken? Für den Entwurf setzte sich Theophil Hansen ein: Schmidt habe sich die Formen der italienischen Gotik zu eigen gemacht und lobenswert sei das Bemühen, „den italienischen gothischen Styl weiter zu bringen […] im ganzen kann man nicht zweifeln, daß das Gebäude ein Rathhaus ist“.

Der betont sachlich gehaltene Siegerentwurf gab detailreich Auskunft über die Wegführung im Inneren sowie die Anordnung, Dimension und Ausstattung der Räume. Der übersichtliche Grundriss beruhte auf einem strengen Quadratraster mit dem Joch eines Kreuzrippengewölbes als modularer Basis und vermittelte den Eindruck, dass die schier unüberblickbare Vielfalt der unterschiedlichen Funktionen des riesigen und komplexen Bauorganismus klar angeordnet wurde.

Die konstruktive Stringenz und Klarheit der gotischen Formen trug dabei wesentlich zum logisch durchdachten Gesamtbild bei. Komplementär dazu vermittelten die vier Perspektiven des Entwurfs durch ihre effektvolle Bildkomposition und subtile Farbigkeit die poetische Stimmung und ästhetische Wirkung, die Schmidt ausdrücken wollte.

Schmidts Entwurf von 1869 weist außerdem ein Motiv auf, das in keinem anderen Wettbewerbsprojekt auf diese Weise eingesetzt wurde und das dem Rathaus sein unverwechselbares Gesicht gab: den hohen Turm. Dieses jahrhundertealte Symbol städtischer Autonomie zeichnete das Rathaus der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien im durchaus dissonanten architektonischen Konzert der Ringstraße vor allen anderen Bauten aus. Die Perspektive des Präsentationsblattes war zudem so gewählt, dass der Rathausturm als unverzichtbarer Höhepunkt des gesamten Bauwerks zum Pendant des Stephansturms wurde. Voll zur Geltung kam die ikonische Silhouette und die heute berühmte Kulissenwirkung der Fassade erst am Ort seiner späteren Umsetzung, der weiten Fläche des Paradeplatzes.

Vom Parkring auf den Paradeplatz

Mit der Entscheidung, das Rathaus vom Parkring auf den Paradeplatz am Josefstädter Glacis zu verlegen, nutzte Bürgermeister Cajetan Felder (1814–1894) eine städtebauliche Besonderheit: In keiner anderen europäischen Großstadt gab es ein derart großes, unverbautes Gelände unmittelbar vor der Innenstadt. Das neue Ensemble in repräsentativer Umgebung von Parlament, Universität und Burgtheater konnte somit zu einem Monument bürgerlichen Selbstbewusstseins an der imperialen Prachtstraße werden.

Ausgehend von der nunmehr zur Verfügung stehenden, deutlich größeren Baufläche, die von rund 4.000 Quadratklaftern (ca. 14.400 m2) auf 5.200 Quadratklafter (ca. 18.700 m2) angewachsen war, und der weit von der Ringstraße abgerückten Lage des Bauwerks waren umfangreiche Planänderungen notwendig.

So wurde unter anderen die Zahl der Höfe von fünf auf sieben erhöht. Der Außenbau erhielt eine weniger kleinteilige, robustere und einheitlichere Gliederung, die den außerordentlich großen Dimensionen des Paradeplatzes besser entsprach als das bisweilen fast filigran wirkende Wettbewerbsprojekt. Besonderes Augenmerk legte Schmidt auf den Zugang vom Rathausplatz, da das abschüssige Gelände die Planung von Freitreppen nötig machte.

 Die Hauptfassade gliedern Mittelrisalit, großer Mittelturm und die vier kleineren Nebentürme sowie die offenen Arkaden im Erdgeschoß und Loggien im Hauptgeschoß. Auch die Seitenfronten und die Rückfront sind durch Risalite gegliedert.

Hinter der breiten Prachtfassade der Vorderfront befinden sich Säle in verschiedenster Größe, zu denen großzügige Treppenanlagen emporführen. Der Festsaal galt mit seiner Länge von 71 Metern einige Jahrzehnte lang als der größte Saal Europas. Die kleineren Säle samt Buffets, die sich bis zur Nord- und Südseite zogen, sind mit Kassettendecken, Kronlustern und Tapeten nicht minder preziös in der Ausstattung.

Während nach außen hin Zugänglichkeit hervorgehoben wird, bleibt die gewaltige Ausdehnung der Anlage dem Publikum der offiziellen Räumlichkeiten vorenthalten. Vier der sieben Innenhöfe sind abseits der Veranstaltungsbereiche gelegen und die anliegenden Räume dienen der Wiener Stadtverwaltung zu Bürozwecken. Die repräsentative Architektur des Gebäudes ist nicht an die Anfordernisse eines zweckorientierten Nutzbaus angepasst, was den riesigen Bürokomplex mit dem zentralen Apparat der Rathausadministration in den labyrinthisch anmutenden fünf Geschoßen gut versteckt wirken lässt.

AUSSTELLUNG UND BEGLEITPUBLIKATION

MONUMENT DER STADT.
RATHAUS WIEN

Zum 200. Geburtstag des Architekten Friedrich von Schmidt
Ausstellungsdauer: 23. Oktober 2025 bis 30. April 2026

Wienbibliothek im Rathaus
Rathaus, Eingang Felderstraße, Stiege 6 (Glaslift), 1. Stock, 
ab 18:00 Uhr Rathaus Eingang Lichtenfelsgasse
MO bis DO, 9.00 bis 19.00 Uhr, Freitag, 9.00 bis 17.00 Uhr
Geschlossen: Samstage, Sonntage und Feiertage
sowie 24.12., 31.12. 2015 und 2.1.2026

Eintritt frei. Kuratoren: Andreas Nierhaus, Gerhard Murauer.