In wenigen Wochen wird im Herbst ein heiß ersehnter Wunsch der Radfahrer erfüllt. Ein echter Radweg am ersten Stück der Leopoldauer Straße. Bereits die laufenden Bauarbeiten sorgen für den in Floridsdorf fast schon traditionellen Kulturkampf zwischen Auto- und Radfahrern. Der Höhepunkt wird wohl 2026 mit dem Bau des Radwegs auf der Brünner Straße erreicht.
Aktuell ist die Leopoldauer Straße seit drei Wochen fast komplett gesperrt, um „beidseits zwischen Angerer Straße und Katsushikastraße auf einer Länge von rund 650 Metern baulich getrennte, etwa 1,90 Meter breite, Ein-Richtungs-Radwege“ zu errichten. Im zweiten Bauabschnitt (4. August bis 12. November) wird die Leopoldauer Straße von der Pilzgasse bis und in Fahrtrichtung Katsushikastraße als provisorische Einbahn geführt. Gehsteigvorziehungen und Fahrbahnanhebungen an den einmündenden Quergassen sollen künftig für mehr Verkehrssicherheit sorgen. Zusätzlich werden insgesamt 17 neue Bäume gepflanzt, um für Beschattung und Kühlung zu sorgen.
Die bisherige Lösung, ein schmaler Mehrzweckstreifen, sorgte ausnahmslos für Ärger. Für Bezirksvorsteher Georg Papai ist die Leopoldauer Straße das bisherige Top-Projekt der vorerst bis 2026 laufenden 6,6 km langen Radwegoffensive von Stadt und Bezirk in Floridsdorf: „Die Leopoldauer Straße ist aktuell noch das beste Negativbeispiel: Alle sind unzufrieden, Auto- und Busfahrer, ebenso Radler. Sogar Autofahrer sagen: ,Ich bin für den Radweg‘. Das wird eine massive Verbesserung für alle Verkehrsteilnehmer!“ Es gibt zwar keine offiziellen Zahlen, aber in etwa 50 Parkplätze werden verloren gehen. Richtung Bezirkszentrum wurde bereits der Anschluss, der Radweg auf der Angerer Straße, fertiggestellt.

In den sozialen Medien sorgt nichts treffsicherer für Wirbel, als ein Artikel über neue Radwege: Kritiker monieren, dass Radler „eh fahren wo sie wollen“, auch am Gehsteig; sich lieber auf „die Insel schleichen sollen“; Angsthasen sind, wenn sie nicht ganz normal im Verkehr fahren. Außerdem zahlen Autofahrer die Straßen, Radler nicht und Parkplätze gingen verloren. FPÖ-Bezirksrat Karl Mareda: „Die Leopoldauer Straße ist bislang sicher der unsicherste Radweg in Wien. Dafür hat man vor einigen Jahren Unsummen ausgegeben und jetzt gibt es schon wieder ein Mega-Budget. Was für ein Planungsirrsinn – wie in vielen anderen Fällen in Floridsdorf.“

Erwin Tóth Isaszegi, Bezirksrat der Grünen, findet es hingegen „super, dass man auf der Leopoldauer Straße jetzt endlich sicher Radfahren kann“ und wünscht sich eine rasche Verlängerung über die Katsushikastraße hinaus.
„Radfahren hat in Floridsdorf noch nicht den Stellenwert wie in der Innenstadt. Das ist auch eine Generationenfrage: Für junge Familien ist es ein Qualitätskriterium, baulich getrennte Radwege zu haben. Die Kritik in der Online-Welt spiegelt die Realität nicht wieder, denn ich bekomme auch zur Prager Straße viele positive Rückmeldungen“, sagt Papai.

Eine Analyse der Radlobby Floridsdorf zeigt, dass rund die Hälfte der Hauptstraßen (62,4 Kilometern) für Radfahrende grundsätzlich sicher befahrbar ist. Auf 9,5 Kilometer Hauptstraßen (15%) gilt Tempo 30 km/h, auf weiteren 22,2 Kilometern (36%) gibt es zumindest auf einer Straßenseite einen baulich getrennten Radweg. Jedoch fehlt sichere Radinfrastruktur auf den restlichen 30,7 Kilometern (49%) Hauptstraßen.
„Fehlender Platz für den Bau eines Radwegs kann nicht der Grund sein, weil noch immer 5,3 Kilometer (9%) Hauptstraßen in Floridsdorf mit vier Fahrstreifen für Autos und Lkws ohne Radweg bestehen“, erläutert Radlobby-Sprecher Alexander Hammer. Für ihn ist die Radwegoffensive ein erster wichtiger Schritt: „Doch mit dem jetzigen Tempo wird es 25 Jahre dauern, bis alle Hauptstraßen in Floridsdorf radverkehrssicher sind.“ Er fordert jährlich mindestens drei Kilometer an neuen Radwegen, vor allem auf der Brünner Straße und der Prager Straße.
Von Hannes Neumayer
Wirklich rasch wird es zu 90 Prozent im ersten Abschnitt der Brünner Straße nach dem Spitz gehen. 2026 soll hier – stadtauswärts gesehen – auf der rechten Seite bis zur Katsushikastraße ein Zwei-Richtungs-Radweg entstehen. Um zu sehen, dass dafür an den meisten Stellen derzeit nicht wirklich Platz ist, muss man kein studierter Verkehrsplaner sein. Die Detailplanungen laufen hinter den Kulissen, neuralgische Punkte – etwa beim Eisgeschäft oder am Lötsch-Hof vorbei, müssen noch gelöst werden. Im Bezirk bemüht man sich, nicht alle Parkplätze zu verlieren. Aber ein Minus von 60 Stellplätzen wird es wohl auch hier werden.
Problemstellen beim Radfahren hat der VCÖ in den letzten Wochen erfasst. Circa 150 wurden von Bürgern alleine im 21. Bezirk gemeldet. Häufigste Kritik: Zu schnell und rücksichtslos fahrende Autofahrer. Selbst bei den neuen Radwegen wäre längst nicht alles gelungen: Von der Prager Straße gelangt man nicht mehr in die Gerichtsgasse und „vom Radweg aus der Pius-Parsch-Promenade kommend kann nicht direkt über die Angerer Strasse in die Schleifgasse gefahren werden. Darüber hinaus wurde hier ein richtiger Schilderwald aufgestellt, der mehr behindert als hilft“, so zwei Punkte der Kritik.

Der VCÖ meint: „Jeder in die Radinfrastruktur investierte Euro bringt einen volkswirtschaftlichen Nutzen von fünf Euro.“ Es reduziert das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs, trägt zu besseren Blutfettwerten bei, Stresshormone werden gesenkt und Radfahren reduziert das Risiko psychischer Erkrankungen. Vier von zehn Autofahrten sind kürzer als fünf Kilometer. Deswegen fordert der VCÖ „niedrigere Tempolimits, um das Unfallrisiko zu reduzieren, insbesondere im Ortsgebiet.“