Spaziergänge in der Spitzer Au, Besuche in der Schwarzlackenau, die Schule in der Franklinstraße: Erika Pluhar hat ihre Jahre in Floridsdorf detailgenau im Gedächtnis. Im Gespräch mit der Floridsdorfer Zeitung erinnert sich die Autorin und Schauspielerin an ihre Jugend in Floridsdorf zurück. Am 23. Oktober liest Erika Pluhar im Bezirksmuseum aus ihren Werken.
Während der zweiten Klasse der Volksschule übersiedelte Erika Pluhar mit ihrer Familie aus der Cottagelage in der Döblinger Gymnasiumsstraße an die Brünner Straße. Für viele heute vielleicht noch ein Kulturschock, für die damals Achtjährige bis heute eine positive Erinnerung: „Ich hatte das Gefühl aufs Land zu ziehen. Überall Felder, Wiesen und ‚Sutten‘. Hinter unserem Wohnhaus in der Brünner Straße 63 bis 65 waren Schrebergärten, auf der anderen Seite die Lokomotiv-Fabrik. Ein Stück weiter das Gasthaus Ziffer, in das wir zum Bier holen geschickt wurden”, erinnert sich die 1939 geborene Schauspielerin an ihre ersten Eindrücke an die neue Heimat zurück.
Für Kinder war der Bezirk ohne den heute üblichen Kinderspielplätzen in Parks ein Paradies. Gespielt wurde im zerstörten Nachkriegs-Floridsdorf auf Wiesen „und Misthaufen, wahrscheinlich Schutthalden”. Papierpuppen wurden gebastelt und schon damals war Erika Pluhar das Künstlergen in die Wiege gelegt: „Ich habe immer den anderen Kindern Rollen zugeteilt – du bist die Mutter, du der Vater …” Beendet wurde der Tag meist vom unbeliebten Ruf der
Mutter: „Komm‘ zum Abendessen!”
Die ersten beiden Jahre in Floridsdorf ging Erika Pluhar in die Volksschule an der Brünner Straße, dann wechselte sie auf das Gymnasium Franklinstraße, damals eine Mädchenschule. Pluhar: „Ich bin immer gerne zur Schule gegangen und war eine Einserschülerin. Auch deshalb habe ich Floridsdorf sehr phantasievoll in Erinnerung!” Vor allem Bücher lesen, aber auch damals schon Schreiben, wurden zur Passion. Die erste Novelle ‚Die rote Rakete‘ entstand bereits mit 13.
Ein bisschen ist die Floridsdofer Schule auch an der späteren Schauspielkarriere schuld. Denn Direktorin Stella Klein-Löw lud immer wieder Burgtheaterschauspieler in den Unterricht: „Ich durfte am Ende immer die Blumen an unsere Gäste überreichen. Einmal war Helmut Janatsch bei uns. Als er erfahren hat, dass ich auch Schauspielerin werden will, meinte er, ‚meine Liebe, ein schwerer Beruf!‘. Wenige Jahre darauf war ich als
Burgtheaterelevin seine Kollegin. Da waren ihm seine großen Worte etwas peinlich”, schmunzelt Pluhar.
Der Schule, Direktorin Löw-Klein, aber vor allem Geschichtsprofessorin Eleonore Zimmermann ist Pluhar „fürs Leben dankbar”. Auch weil Letztere nur wenige Jahre nach dem zweiten Weltkrieg im Unterricht offen den Holocaust ansprach, was einigen Eltern gar nicht recht war.
Von ihrer Kindheit erzählt die Autorin übrigens ausführlich in ihrem Buch ‘Am Ende des Gartens – Erinnerungen an eine Jugend’. Detailgenau erinnert sich Pluhar an ihre Freundinnen wie ‘Hilla aus Floridsdorf’, Schmalzbrote bei Hillas Mutter, träumende Gespräche in einer Mulde, Ausflüge ins Angelibad, erste, nicht immer positive Kontakte zu Männern oder später ein kurzes Treffen mit Peter Alexander, uvm. Offen spricht sie darin aber auch die weniger schönen Episoden, wie ihre Magersucht, an.
Der rote Stern der USIA
Keine negativen Erfahrungen hat Pluhar mit den russischen Besatzungsmächten in Floridsdorf gemacht. In Erinnerung geblieben ist ihr aber der große rote Stern der USIA-Werke vis a vis der Wohnung in der Brünner Straße: „Der Stern war die erste Leuchtreklame, die ich gesehen habe und irrsinnig eindrucksvoll. Und ich erinnere mich an stark geschminkte und parfümierte russische Frauen in der Straßenbahn. Ich wurde aber nie von russischen Soldaten bedrängt oder überfallen – meine Eltern haben wohl gut auf mich aufgepasst. Die Hauptsache war nach dem Krieg: Keine Bomben mehr!”
‘Zum Licht empor’
Ebenso gut in Erinnerung ist der Besuch einer Eisenbahnerversammlung mit Freundin Hilla. Dort hört sie ein Lied, dessen Text sie bis heute begeistert und das Erika Pluhar beim Besuch von DFZ-Chefredakteur Hannes Neumayer (Bild links) vorträgt: ‘Brüder, zur Sonne, zur Freiheit – Brüder, zum Licht empor – Aus dem Dunkel der Vergangenheit leuchtet die Zukunft empor.’ Allerdings: Weniger gut hat es Pluhars Mutter gefallen, als sie es daheim nachsingt: „Die war entsetzt, dass ich ein ‚Kommunistenlied‘ singe. Aber mich hat der Gedanke, dass es eine leuchtende Zukunft für Alle gibt begeistert.”
Später zog es Pluhar ans ‘Reinhardt Seminar’ nach Hietzing und „in die Stadt”. Aber die Jugend in Floridsdorf ist bei der 79-Jährigen noch sehr detailreich präsent. Zum Beispiel auch die Schwarzlackenau: „Dort hatte ich eine Freundin. Ihre Familie hatte einen kleinen Garten. Wir haben in den Donauauen gespielt und natürlich im Überschwemmungsgebiet. Es gab damals sogar noch Kuh- und Schafherden. Deshalb hat mich später der Bau der Neuen Donau auch nicht glücklich gemacht!”
Auch heute zieht es Erika Pluhar immer wieder in den 21. Bezirk, zum Beispiel an die Alte Donau. Rund um ihr ehemaliges Wohnhaus hat sich einiges geändert: Schräg vis a vis wird gerade das Krankenhaus Nord fertiggestellt, ein Stück weiter folgen Autobahnabfahrten und Einkaufszentren. Unbeschwertes Spielen in den Gstetten und am Bahndamm spielt es für Kinder schon länger nicht mehr … Hannes Neumayer