Porsche-Hybrid „Made in Floridsdorf“

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Lohner-Porsche-Rennwagen im Jahr 1902 mit vier Radnabenmotoren. Fotos: Wikimedia Commons.
Lohner-Porsche-Rennwagen im Jahr 1902 mit vier Radnabenmotoren. Fotos: Wikimedia Commons.

Am Steuer sitzt der Engländer Ernest William Hart, am Beifahrersitz Ferdinand Porsche. Der Herr auf dem Rücksitz ist leider unbekannt. Wenn das Foto, wie zu vermuten ist, in Lohners Werkstatt aufgenommen wurde, dann sind links im Hintergrund ein paar Buben aus dem Donaufeld zu sehen, die diese automobilistische Sensation bestaunten.

Beim Hybridauto von Porsche geht es also weder um einen Panamera noch um einen Cayenne, sondern wir blicken etwa 125 Jahre zurück ins Jahr 1901. Aber der Reihe nach: Die Firma Lohner, gegründet 1829, war ein renommierter Kutschenhersteller und „k.u.k. Hof-Wagenlieferant“. Um 1880 wurde die Produktion auf ein 30.000 Quadratmeter großes Areal an der Donaufelder Straße verlegt.

Doch war es Ludwig Lohner, der als erster Österreicher das Potential der individuellen Motorisierung erkannte. Er wollte seine Kutschen motorisieren. Doch da es Lieferschwierigkeiten für Benzinaggregate gab und Lohner zudem schon damals die Luftverschmutzung und Lärmbelästigung der Otto-Motoren kritisierte, holte er 1897 Ferdinand Porsche nach Floridsdorf, der schon zuvor mit Elektromotoren experimentiert hatte.

Von Matthias Marschik

Zusammen entwickelten sie ein von zwei Radnabenmotoren betriebenes Elektroauto („Semper Vivus“). Auf der Kaiser-Franz-Joseph-Jubiläumsausstellung in Wien 1898 und dann auch auf der Weltausstellung in Paris 1900 wurde das Fahrzeug zur Sensation. Es hatte fünf PS und fuhr maximal 50 km/h. Die Reichweite betrug 50 Kilometer, dann mussten die Akkus allerdings mehrere Tage lang wieder aufgeladen werden.

Um diese Nachteile auszugleichen, entwickelten Porsche und Lohner ein Hybridfahrzeug, das den elektrischen Antrieb mit einem Daimler-Benzinmotor kombinierte, den „Mixte-Wagen“. Er hatte Elektromotoren an beiden Vorderrädern und der Benzinmotor lud zugleich den Akku auf. Der „Mixte“ wurde ab 1900 als Personen- und Nutzfahrzeug produziert, aufgrund des hohen Preises fanden sich aber kaum private Käufer. Allerdings kaufte die Wiener Feuerwehr etwa 40 Fahrzeuge an, und der „Mixte“ bewährte sich auch in etlichen europäischen Großstädten als Taxi. In Gestalt einer Sonderanfertigung (für J. W. Hart) mit Elektromotoren an allen vier Rädern konstruierte Porsche 1902 nebstbei auch gleich eines der weltweit ersten allradgetriebenen Automobile.

Der Rest der Geschichte ist bekannt: Lohner und der eigenwillige „Ferry“ Porsche zerstritten sich 1906, und auch das Elektroauto hatte für die nächsten 100 Jahre kaum Chancen: Grund waren weniger die geringe Reichweite und der hohe Preis, sondern vor allem die deutlich höhere Leistungsfähigkeit des Benziners. Die Elektroautos wurden wegen der Einfachheit der Bedienung als „Damenautos“ verunglimpft. Die damaligen Herrenfahrer wollten lieber komplizierte Maschinen, die Höchstleistungen ermöglichten, und die Automobilindustrie erfüllte diese Wünsche (und erfüllt sie bis heute). Aus heutiger Sicht wünschte man freilich, eine Floridsdorfer Erfindung anno 1900 hätte sich früher durchgesetzt.

Univ.-Doz. Dr. Matthias Marschik ist Historiker und Kulturwissenschafter. Er lehrt an verschiedenen Universitäten und ist Autor zahlreicher Bücher und Aufsätze zu kulturgeschichtlichen Themen. Zuletzt erschienen u.a. Bücher über den Bisamberg, die Wiener Hausberge und das bürgerliche Floridsdorf. Matthias Marschik ist in Floridsdorf geboren, er lebt und arbeitet auch heute noch im Bezirk. Er wird ab sofort regelmäßig in der Floridsdorfer Zeitung schreiben. Foto: Privat.
Univ.-Doz. Dr. Matthias Marschik ist Historiker und Kulturwissenschafter. Er lehrt an verschiedenen Universitäten und ist Autor zahlreicher Bücher und Aufsätze zu kulturgeschichtlichen Themen. Zuletzt erschienen u.a. Bücher über den Bisamberg, die Wiener Hausberge und das bürgerliche Floridsdorf. Matthias Marschik ist in Floridsdorf geboren, er lebt und arbeitet auch heute noch im Bezirk. Er wird ab sofort regelmäßig in der Floridsdorfer Zeitung schreiben. Foto: Privat.