Die Aufregung um die Schließung der Praxis des Allgemeinmediziners in der Nordrandsiedlung hat die Aufmerksamkeit auch in Floridsdorf auf ein brisantes Thema gelenkt: Immer mehr Praktische Ärzte gehen in Pension – ihre Ordinationen werden nicht nachbesetzt.
In der Nordrandsiedlung wird es ab Jänner eine Primärversorgungseinheit (PVE) mit drei Ärzten, längeren Öffnungszeiten und Hausbesuchen geben. Ob die geschlossene Praxis in der Aistgasse Außenstelle wird, ist offen. Übrigens: Diese PVE war gar nicht geplant, sie wurde kurzfristig bewilligt. Sonst gäbe es ab sofort in der Nordrandsiedlung (inklusive Neu Leopoldau) keinen praktischen Arzt.
Das Beispiel der geschlossenen Praxis von Dr. Kellner zeigt ein großes Problem: „Aus der Vergangenheit ist bekannt, dass dieses Gebiet für Ärzte scheinbar wenig attraktiv ist und daher eine Nachbesetzung mehr als fraglich scheint“, sagt die Österreichische Gesundheitskasse ÖGK. Auch in der Schwaigergasse war es lange Zeit unklar, ob es für die Praxis im ‘rosa Bau’ einen Nachfolger gibt. Am Ende hat sich mit Dr. Taissia Rusnak (Bild) eine Ärztin gefunden, die die Praxis nicht nur übernommen hat, sondern auch umfassend modernisierte.
Gerade am Stadtrand sind Nachbesetzungen offenbar für Ärzte nicht rasend interessant. Gibt es also weniger praktische Ärzte im 21. Bezirk? „Ein Vergleich des heutigen Ist-Standes mit den historischen Daten des Jahres 2002 ist nicht zielführend, da sich die Versorgungslandschaft in den letzten 20 Jahren verändert hat. Im Jahr 2002 gab es im vertragsärztlichen Bereich nur Einzelordinationen, heute gibt es eine Vielfalt an Zusammenarbeitsformen wie beispielsweise Gruppenpraxen, Job-Sharing-Praxen, Primärversorgungseinheiten …“, so die ÖGK.
Die aktuellen Zahlen von 1. Juli: In Floridsdorf gab es 74 ÖGK-Planstellen, 61,5 waren besetzt. Zwei Planstellen waren unbesetzt und ausgeschrieben. 10,5 weitere Planstellen waren für PVE oder Gruppenpraxen reserviert, zum Stichtag erstmalig unbesetzt bzw. im Invertragnahmeverfahren begriffen.
Bei Ärzten gibt es übrigens keine Pensionierungen. Die Vertragsniederlegung liegt bei Allgemeinmedizin bei 65,1 Jahren (männlich) und 61,7 Jahren (weiblich). 13 Vertragsärzte in Einzelordinationen werden zwischen 2022 und 2026 dieses Alter erreichen. Allerdings: In dieser Berechnung fehlen jene, die bereits jetzt älter sind. Durchschnittlich betreibt ein praktischer Arzt seine Praxis nur 22 Jahre.
Aktuell sind laut ÖGK noch drei PVE’s geplant: In den Zielgebieten Brünner Straße, Donaufeld und Großfeldsiedlung. Entscheidungen über Nachbesetzungen von Kassenplanstellen werden immer gemeinsam von Ärztekammer und ÖGK getroffen.
Während man online oft auf Floridsdorfer trifft, die einen guten praktischen Arzt suchen, gab es in der Bezirksvorstehung nicht eine Beschwerde über mangelnde Versorgung, so Bezirksvorsteher Georg Papai: „Aber bei Kinder-, Lungen- oder Augenärzten gibt es Nachholbedarf.“
Derzeit hört man von vielen Patienten, dass praktische Ärzte einen Aufnahmestopp für neue Patienten haben. Dürfen Ärzte das – unter welchen Bedingungen dürfen sie das? Die ÖGK: „Es liegt im Ermessen des Arztes, zu entscheiden, wie viele Patienten er bzw. sie in der Lage ist, zu betreuen. Bei der örtlichen Verteilung der Kassenplanstellen wird darauf Rücksicht genommen, dass die Versicherten zwischen mindestens zwei in angemessener Zeit erreichbaren Vertragsärzten wählen
können. -H. Neumayer