Streifzüge zur Bahnstrecke von Floridsdorf nach Deutsch-Wagram

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Gerald Pichowetz. Bild: Gloria Theater.
Gerald Pichowetz. Bild: Gloria Theater.

Meine lieben „Fluaridsduafa“!
Lassen wir Herrn Franz Carl Weidmann in der „Wiener Allgemeinen Theaterzeitung“ vom 25. November 1837 weiter
berichten, wo wir ihn letztes Mal unterbrochen hatten: „Tausende von Zuschauern bedeckten den Damm, den Abfahrtsplatz und die Bahnstrecke, soweit das Auge reichte. Schon wirbelte hoch der Rauch aus der Maschine, und die Colonne setzte sich eben in Bewegung, als ich den Damm betrat. Das schöne Locomotiv ,Austria’ aus der Kunstwerkstätte Stephensons in Newcastle führte acht Wagen (fünf erster Classe zu 18 Personen und drei zweiter Classe zu 24 Personen) im raschen Fluge dahin auf der Bahn.

Seine kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Carl geruhte nebst seinen durchlauchtigsten Kindern, des
Erzherzogs Wilhelm, und der Erzherzogin Maria Karolina, diese Fahrt mitzumachen. In allem hatten auf den acht Wagen 164 Personen Platz genommen.

Die Colonne legte bei dieser ersten Fahrt die Bahnstrecke von Floridsdorf nach Deutsch-Wagram, 6993 Klafter, in 26
Minuten, und von Deutsch-Wagram nach Floridsdorf in 24 Minuten zurück. Das Dahingleiten des Zuges auf der schönen, weiten Bahn, gewährte einen imposanten Anblick. Jubelgeschrei und freudiger Zuruf erscholl ihm von allen Seiten. Man begrüßte ihn mit Freudenschüssen, Schwenken der Hüte usw., und rings zeigte sich der lebendigste Antheil an der interessanten Fahrt.“

Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 30,6 km/h begann also Österreichs Eisenbahnzeitalter am 23. November vor 185 Jahren mit der ersten von drei Probefahrten, vor deren letzter auch die Kaiserin-Mutter, Maria Theresia von Neapel-Sizilien, „die Wagen und die Locomotive Ihrer Allerhöchsten Besichtigung zu würdigen geruhte“. Unser Floridsdorf war in diesen Tagen Geburtsort des Eisenverkehrs der Monarchie, und es folgte danach auch die Errichtung der Lokomotivfabrik sowie der Lokomotivwerkstätte an der Brünner Straße. Geblieben von diesen ruhmreichen Zeiten ist leider nichts…

Bleibt mir gesund, meine Lieben,
Euer Gerald Pichowetz