Streifzüge zur Mineralölfabrik

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Gerald Pichowetz. Bild: Gloria Theater.
Gerald Pichowetz. Bild: Gloria Theater.

Meine lieben „Fluaridsduafa“!
Ich möchte Euch heute von den Anfängen von Floridsdorfs ehemaliger Raffinerie berichten. Ja, man glaubt es heute kaum, auch eine Mineralölfabrik gab es in unserem Heimatbezirk! Im Volksmund war sie auch unter „Die Petroleumfabrik“ bekannt.

Im Jahr 1856 hatten die beiden Prager Großindustriellen Karl Friedrich Breitfeld und David Evans in der Jägergasse 35, nächst den Geleisen der Kaiser Ferdinand Nordbahn, eine Kesselschmiede und Maschinenfabrik errichtet, die der junge Graslitzer (Böhmen) Chemiker Dr. Friedrich Pilz 1864 erwarb. Er gestaltete allerdings den Betrieb in eine Mineralöl- und Paraffinfabrik um, und bereits im Winter 1867/1868 wurde ein Konsortium einiger branchenähnlicher Betriebe auf den bereits mit bestem Ruf weithin bekannten Unternehmer aufmerksam.

Man beschloss nach kurzer Verhandlungszeit die Vereinigung aller ihrer Firmen samt den dazugehörigen Bergwerken in Orawitz im Banat, unter alleiniger Leitung von Dr. Pilz. Die Fabriken des „Centraldepot für Petroleumproducte von Pilz & Comp.“ nahmen bald großen Aufschwung, der jedoch durch einen Brand am 2. November 1869 jäh unterbrochen wurde. Ein Arbeiter hatte sich in Benzin seine Hände gewaschen, danach eine brennende Laterne ergriffen und die entflammten Hände im Schreck in den Benzinbottich gesteckt. Die darauffolgende Explosion setzte die gesamte Anlage in Brand und zerstörte die Fabrik zur Gänze.

1870, zur Zeit des Wiederaufbaus erfand Dr. Pilz „Ceresin“, einen dem Bienenwachs ähnlichen Stoff aus dem in Galizien gewonnenen Ozokerit, und er fand zudem während eines Heimatbesuches Vorkommen von bituminöser Kohle. Beides bewog den Neuvermählten, aus der Firmen-Gesellschaft auszutreten und eine neue Mineralöl- und Paraffinfabrik in Theussau bei Falkenau-Karlsbad zu gründen. Später übernahm er die väterliche Spinnerei in seinem Heimatort Graslitz, wo er für einige Zeit auch das Bürgermeisteramt innehatte.
Das Wiener Werk bekam einen neuen Namen und eine neue Leitung und hatte wechselvolle und auch schwierige Jahre vor sich, von denen ich Euch nächstes Mal berichten will.

An Dr. Friedrich Pilz (20.02.1841-12.09.1898) erinnert seit 1910 die Pilzgasse, wie die Jägergasse seit damals heißt.
Euer Gerald Pichowetz