Ungebautes Floridsdorf am Wasser

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Das von der Donau-Regulierungs-Kommission ausgearbeitete Projekt vom Jahr 1919 sah den Ausbau der Alten Donau zu einem Hafen mit drei Becken vor. Das Entlastungsgerinne im Inundationsgebiet sollte neben der Schifffahrt auch der Energiegewinnung dienen, wozu vier Wehranlagen mit Schleusen geplant waren. Eine Anbindung an den geplanten Donau-Oder-Kanal gegenüber dem Kahlenbergerdorf wurde ebenso vorgeschlagen. Quelle: WStlA, Materialsammlung zum Donauatlas, B1.
Das von der Donau-Regulierungs-Kommission ausgearbeitete Projekt vom Jahr 1919 sah den Ausbau der Alten Donau zu einem Hafen mit drei Becken vor. Das Entlastungsgerinne im Inundationsgebiet sollte neben der Schifffahrt auch der Energiegewinnung dienen, wozu vier Wehranlagen mit Schleusen geplant waren. Eine Anbindung an den geplanten Donau-Oder-Kanal gegenüber dem Kahlenbergerdorf wurde ebenso vorgeschlagen. Quelle: WStlA, Materialsammlung zum Donauatlas, B1.

1900 hegte die Großgemeinde Floridsdorf Mega-Pläne: Hafenanlage Alte Donau und Donau-Oder-Kanal in der Schwarzlackenau.

Quer durch die Schwarzlackenau fließt der Donau-Oder-Kanal. Die Alte Donau ist ein Mega-Hafen, links und rechts an den Ufern liegen Industriegebiete. Das Entlastungsgerinne verläuft in einem großen Halbbogen durch ganz Floridsdorf. Utopie? Nicht ganz. Die genannten Wasserstraßenprojekte wurden in den letzten 130 Jahren – teils intensiv – verfolgt.

20 Jahre nach Vollendung der ersten Donauregulierung im Jahr 1875 war es für die meisten Gemeinden links der Donau klar: Dass sich an den Ufern von Jedlesee bis Aspern und noch weiter bis Schönau wirtschaftlich kaum etwas tat – zumindest im Vergleich zum rechten Donauufer – sollte nicht länger so hingenommen werden. Ein geplanter (Abwasser-)Sammelkanal für Donaufeld, Stadlau, etc. und Umbauten am Donaukanal, die für verstärkte Hochwassergefahr sorgten, wurden für intensives Lobbying bei den Behörden seiner kaiserlichen Majestät Franz Joseph genutzt.

Damals, 1895, war gerade die Großgemeinde Floridsdorf entstanden. Im Erzherzogtum Österreich unter der Enns, heute Niederösterreich und Wien, wurde intensiv diskutiert: Sollten die Floridsdorfer Wiener werden oder Floridsdorf gar die niederösterreichische Landeshauptstadt werden?

Aus: Bittschrift der Donaugemeinden bei Wien 1902, Moritz Willfort. Quelle: Wienbibliothek im Rathaus.
Aus: Bittschrift der Donaugemeinden bei Wien 1902, Moritz Willfort. Quelle: Wienbibliothek im Rathaus.

Vor allem Baurat Moritz Willfort vertrat die Interessen der Großgemeinde (der Orte Floridsdorf, Jedlesee, Neu Leopoldau/Donaufeld und Groß Jedlersdorf I) mit Elan: „ Es entsteht ein kolossaler Winterhafen für alle möglichen Schifffahrtsbedürfnisse. Auch könnte die Schiffswerfte der Donaudampfschifffahrts-Gesellschaft hierher verlegt werden. Der neu zu eröffnende Hafen wird der Mittelpunkt der großen Wasserstraßen sein, welche die Nord – und Ostsee mittelst des Donau-Elbe – und Donau-Oder-Canales mit dem Schwarzen Meere verbinden“, schwärmte er von einem Hafen in der Alten Donau.

Der Streit um die Zukunft Floridsdorfs lähmte die Entwicklung am linken Donauufer. Gleichzeitig blühten im Laufe des 19. Jahrhunderts unterschiedlichste Ideen für neue Wasserstraßen, die Wien zum Zentrum haben sollten und die Donaumetropole letztlich an die Weltmeere anbinden sollte.

Sándor Békési, Historiker und Kurator im Wien Museum, im Buch Wasser Stadt Wien: „Wo und wie genau, war Gegenstand von unzähligen Debatten, Planungen und Umplanungen. So wie die meisten Erweiterungsprojekte für die Wiener Donauhäfen blieben diese Vorhaben, auch bedingt durch die wechselvolle Geschichte Österreichs nach 1914, auf dem Papier. Was die Schifffahrtskanäle betrifft, ist die Bilanz der Wasserstadt Wien besonders mager: Der gleichsam zu spät gekommene Wiener Neustädter Kanal war lediglich 1803 bis 1879 in Betrieb, der schließlich unter der Herrschaft der Nationalsozialisten begonnene Donau-Oder-Kanal wurde lediglich 4,2 km lang.“

Die 1941 gezeichnete Übersichtskarte von Otto Broschek zeigt neun, zwischen 1870 und 1939 geplante Trassenführungen für den Mündungsabschnitt des Donau-Oder-Kanals. Der rot gefärbte Abschnitt wurde 1939-1941 realisiert. Quelle: Wienbibliothek im Rathaus, Sign. B-175199.
Die 1941 gezeichnete Übersichtskarte von Otto Broschek zeigt neun, zwischen 1870 und 1939 geplante Trassenführungen für den Mündungsabschnitt des Donau-Oder-Kanals. Der rot gefärbte Abschnitt wurde 1939-1941 realisiert. Quelle: Wienbibliothek im Rathaus, Sign. B-175199.

Auch die Nazis hatten hochtrabende Pläne. 1941 verfasste Otto Broschek in ,Grundlagen zum Gauwirtschaftsplan‘ auch eine Übersicht der neun verschiedenen, zwischen 1870 und 1939 geplanten Trassenführungen für den Mündungsabschnitt des Donau-Oder-Kanals zusammen. Unter dem Slogan ,Wien–Hamburg des Ostens‘ war geplant, Wien zum Umschlagplatz für den Wassertransport auszubauen. Gebaut wurde der Rumpf des Donau-Oder-Kanals in der Lobau.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Notwendigkeit zur Verbesserung des Hochwasserschutzes immer dringender. Einen heute unvorstellbaren Plan hatte Ewald Liepolt 1941 als NS-Baureferent vorgelegt und 1955 überarbeitet. Békési: „Demzufolge sollte die Donau bei Hochwasser jenseits von Jedlersdorf, Leopoldau und Stadlau um den Ballungsraum Wien herumgeführt werden: Ein gigantischer landschaftsplanerischer Eingriff, der die Stadtentwicklung Transdanubiens bedeutend beeinflusst hätte.“

Umfluter mit Kraftwerksprojekt von Ewald Liepolt, 1955. Der Hochwassergrüngürtel hätte den Wald- und Wiesengürtel auf dem linken Donauufer ergänzt, das Inundationsgebiet wäre  aufgeschüttet und zur Bebauung 
freigegeben worden. Quelle: WStlA, Materialsammlung zum Donauatlas, B1 (vgl. Mohilla & Michlmayr, 1996, 10.4).
Umfluter mit Kraftwerksprojekt von Ewald Liepolt, 1955. Der Hochwassergrüngürtel hätte den Wald- und Wiesengürtel auf dem linken Donauufer ergänzt, das Inundationsgebiet wäre aufgeschüttet und zur Bebauung freigegeben worden. Quelle: WStlA, Materialsammlung zum Donauatlas, B1 (vgl. Mohilla & Michlmayr, 1996, 10.4).

Ein Projekt das zumindest mit ähnlichen Ansätzen als Marchfeldkanal zur Umsetzung gelangen sollte. Severin Hohensinner vom Institut für Hydrobiologie und Gewässermanagement (IHG) an der Boku: „Erste Überlegungen für einen Bewässerungskanal im Marchfeld waren bereits 1824 von Hofbaurat Joseph Schemerl in Verbindung mit Schifffahrtskanälen von der Donau zur Elbe und zur Oder angestellt worden.“

Das Projekt wurde unter anderem deshalb verworfen, weil weder die schwerwiegende Frage der Grundeinlösungen noch jene der Zwischenlagerung des Aushubs hinreichend geklärt waren.

Plan der Großgemeinde Floridsdorf von Hans Smital, 1900/1904. Quelle: Wienbibliothek im Rathaus.
Plan der Großgemeinde Floridsdorf von Hans Smital, 1900/1904. Quelle: Wienbibliothek im Rathaus.

Wie ernst die Pläne jedoch waren zeigt etwa, dass in einem der ersten richtigen Stadtpläne der Großgemeinde Floridsdorf, die Beilage zu Smitals berühmter Bezirksgeschichte sowohl die Alte Donau als Hafen wie auch der Donau-Oder-Kanal in der Schwarzlackenau als ,projektiert‘ eingezeichnet sind. -Hannes Neumayer


Buchtipp: Wasser Stadt Wien. Eine Umweltgeschichte, Zentrum für Umweltgeschichte, Universität für Bodenkultur Wien. 496 Seiten,
unzählige Abbildungen & Grafiken.

Online-Tipp: In der neuen WebApp von Severin Hohensinner kann man die Entwicklung der Wiener Landschaft seit der Römerzeit und historische Wasserbauten sehen. https://arcg.is/0f8LOW1

Animierte Videos finden Sie hier: www.youtube.com/@SeverinHohensinner

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