Venedig in Floridsdorf

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Eröffnung des Wasserparks, Juli 1928. Foto: Eduard Völker.
Eröffnung des Wasserparks, Juli 1928. Foto: Eduard Völker.

Nach der Donauregulierung im Jahr 1875 verödete der nördliche Teil des ehemaligen Hauptarmes, also der „Alten Donau“. Es bildete sich, so schrieb das Boulevardblatt „Die Stunde“, „ein wüstes, sumpfiges, von Wasser durchzogenes Gelände, das landschaftlich einen unerquicklichen Anblick bot und auch nicht gerade angenehm duftete“. Vor etwa 100 Jahren beschloss das Wiener Stadtgartenamt – unter Direktor Friedrich Kratochwjle – nicht nur eine Sanierung, sondern eine völlige Neugestaltung des Geländes: Es entstand der Floridsdorfer Wasserpark.

Zwei tiefe Gräben wurden ausgebaggert, das Aushubmaterial, immerhin 40.000 Kubikmeter Erde, wurde aufgeschüttet. So entstanden zwei durch schmale Kanäle verbundene symmetrische Teiche mit einer großen Insel in der Mitte. Die Wege und Böschungen wurden mit Steinen aus Gneis angelegt. Über kleine spitze Brücken im japanischen Stil konnte das Wasser überquert werden, die Ufer und die Promenaden
waren nachts mit romantischen Laternen beleuchtet. Schon bei der Planung berücksichtigt wurden Spielplätze, aber auch „Ruheoasen“ für Pensionisten. Im Uferbereich wurden Kinderschwimmbecken errichtet, aber auch „Landungsstege“ angelegt, sollte doch der Wasserpark auch für den Schwimm- und Rudersport genutzt werden. Mit einem Gesamtumfang von 120.000 Quadratmetern (heute sind es etwa 144.000 m2) war und ist das Areal größer als etwa der Türkenschanzpark, und es war damals die größte Parkanlage Wiens.

Von Matthias Marschik

Eröffnet wurde der Wasserpark im Juli 1928, wobei zu diesem Zeitpunkt erst etwa 20.000 m2 gartenplanerisch ausgestaltet waren und sowohl die aperen Flächen, die einmal Liegenwiesen werden sollten, wie die frischgepflanzten Bäumchen noch reichlich mickrig aussahen. Formulierte die „Stunde“ etwas reißerisch, hier sei ein „Venedig in Floridsdorf“ im Entstehen, schrieb die „Arbeiter-Zeitung“ anlässlich der Einweihungsfeier von einem „prächtigen Park“ und einer „neuen Wiener Sehenswürdigkeit“, die nicht nur für Floridsdorf, sondern „für die gesamte Wiener Bevölkerung eine Erholungsstätte sein“ soll.

Eröffnung des Wasserparks, 
Juli 1928. Foto: VGA.
Eröffnung des Wasserparks, Juli 1928. Foto: VGA.

Die Eröffnung nahmen Bezirksvorsteher Bretschneider und Wiens Bürgermeister Karl Seitz vor, der seine Ansprache mit den Worten beendete: „Wenn diese heute noch schlanken Bäume dichte Kronen tragen werden, wird ein andres Geschlecht in ihrem Schatten ruhen, die blühenden Sträucher und die schönen Blumen schauen, die Zeugnis geben werden, daß am Beginn des 20. Jahrhunderts ein Geschlecht gelebt hat, das sich seiner geschichtlichen Aufgabe bewußt war: nicht nur für den Tag zu sorgen, sondern auch für die Zukunft.“

Auch wenn uns, die wir heute unter genau diesen mächtigen Bäumen sitzen, diese Rede etwas bombastisch vorkommt, enthält sie doch eine ebenso simple wie wichtige Botschaft: Stadtplanung und Architektur sollten wohl wieder öfter dran denken, wie das, was wir heute planen und bauen, in hundert Jahren wirken wird. Ob die kurzlebige Versiegelung der Landschaft mit
Betonbauten dieses Kriterium erfüllt, sei hier zumindest in Frage gestellt.

Univ.-Doz. Dr. Matthias MarscUniv.-Doz. Dr. Matthias Marschik ist Historiker und Kulturwissenschafter. Er lehrt an verschiedenen Universitäten und ist Autor zahlreicher Bücher und Aufsätze zu kulturgeschichtlichen Themen. Zuletzt erschienen u.a. Bücher über den Bisamberg, die Wiener Hausberge und das bürgerliche Floridsdorf. Matthias Marschik ist in Floridsdorf geboren, er lebt und arbeitet auch heute noch im Bezirk. Er schreibt regelmäßig in der Floridsdorfer Zeitung. Foto: Privat.hik ist Historiker und Kulturwissenschafter. Er lehrt an verschiedenen Universitäten und ist Autor zahlreicher Bücher und Aufsätze zu kulturgeschichtlichen Themen. Zuletzt erschienen u.a. Bücher über den Bisamberg, die Wiener Hausberge und das bürgerliche Floridsdorf. Matthias Marschik ist in Floridsdorf geboren, er lebt und arbeitet auch heute noch im Bezirk. Er wird ab sofort regelmäßig in der Floridsdorfer Zeitung schreiben. Foto: Privat.
Univ.-Doz. Dr. Matthias Marschik ist Historiker und Kulturwissenschafter. Er lehrt an verschiedenen Universitäten und ist Autor zahlreicher Bücher und Aufsätze zu kulturgeschichtlichen Themen. Zuletzt erschienen u.a. Bücher über den Bisamberg, die Wiener Hausberge und das bürgerliche Floridsdorf. Matthias Marschik ist in Floridsdorf geboren, er lebt und arbeitet auch heute noch im Bezirk. Er schreibt regelmäßig in der Floridsdorfer Zeitung. Foto: Privat.