‘Boulevard der Unzufriedenen’ nannte die Zeitschrift News vor zwei Jahren einen Artikel über Floridsdorf. Seitdem hat sich die Situation der einstigen Einkaufsmeile Brünner Straße nicht gebessert. Nicht nur Alt-Floridsdorfer fragen sich: Was ist nur aus der Brünner Straße geworden?
Alleine in den letzten beiden Jahren haben wieder ein Küchenstudio, eine Bäckerei, ein Juwelier, eine Drogeriekette oder die Bücherei und zuletzt der Bio-Laden geschlossen oder sind übersiedelt. Und das ist alleine auf der Strecke bis zur Katsushikastraße nur eine Auswahl. „Floridsdorfer Bezirkszentrum wird immer ‘orientalischer’”, spitzte zuletzt WIFF – Wir für Floridsdorf in einer Aussendung zu.
Denn: Steht ein Laden nicht ewig lange leer – etwa der Ex-Bipa im Lötsch-Hof – eröffnet wohl ein neuer Kebap-Laden oder der x-te Friseur. Alleine auf dem kurzen Stück der inneren Brünner Straße zählt man 14 Friseure. Das Bild erinnert etwas an die Sonnenstudio- und Videothekenschwemme der achtziger Jahre. Aus Zeiten der Einkaufsmeile mit Fürnkranz & Co ist nur noch Palmers verblieben. Wenige Läden weiter steht seit einem Jahr die große Verkaufsfläche des ‘Kaufpunkt’ verwaist und unansehnlich. Nachmieter? Fehlanzeige.
Unansehnlich ist für den blau-orangen Einkaufspitz noch ein Hilfsausdruck. Ein konkreter Zeitplan für den Abriß und Neubau fehlt weiterhin. In den nächsten Monaten soll eine neue Flächenwidmung für ein Gebiet rund um das verlassene Einkaufszentrum beschlossen werden. Sie soll in Teilen eine höhere Verbauung (Bauklasse 3) ermöglichen. Das muss allerdings erst im Gemeinderat beschlossen werden. Damit ist ein Baustart frühestens 2020 realistisch. Eine nachhaltige Aufwertung der Brünner Straße ist – so ehrlich muss man sein – nicht in Sicht.
Den unzähligen Leerständen etwa auch in der Ladenzeile im Lötschhof stehen verhältnismäßig wenige Lichtblicke, wie die neue Bücherei im ehemaligen Weisselbad, die Nachnutzungspläne im Bipa-Laden oder den Ex-Räumlichkeiten der Bücherei im Schlingerhof, gegenüber.
Robert Feldmann, Bezirksobmann der WK für den 21. Bezirk: „Selbstverständlich freue ich mich über jegliches unternehmerisches Engagement. Die Konzentration mancher Branchen betrachte ich jedoch mit Besorgnis. Tummelten sich bis vor Kurzem unzählige Wettbüros im Zentrum, ist nun anscheinend ein ‘Friseur & Barbershop-Wettbewerb’ ausgebrochen. Das bei dieser Dichte an gleichartigen Geschäften keiner gewinnen kann, liegt auf der Hand. Kunden zieht man nur mit einem vielfältigen und breitgestreuten Angebot an. Im Idealfall einem Mix aus Nahversorgern, Spezialisten und Nischenanbietern.”
Für die Politik ist ein Einschreiten schwierig, befinden sich die Geschäftslokale doch mit Ausnahme von Lötsch- und Schlingerhof in Privatbesitz. Wer seinen Laden aufgibt, hat es nicht schwer Nachmieter oder -besitzer zu finden. Zwei ‘Familien’ schnappen sich sofort die freien Objekte, matchen sich sogar vor Gericht darum. Mit der Neueröffnung haben sie es oft nicht eilig. Was auch an absurd wirkenden Mieten liegt: 3.000 Euro für ein 37m2 großes Geschäftslokal (80 Euro pro Quadratmeter) sind leider kein echter Ausreißer. -Hannes Neumayer