‘Besitzstörungsklage vermeiden, indem man mitteilt, keine weitere Störung vorzunehmen”

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Rechtsanwalt Mag. Alexander Rimser. Bild: Privat.
Rechtsanwalt Mag. Alexander Rimser. Bild: Privat.
Stein

Zu Tankstellen kann man problemlos zu- und abfahren. Das verleitet Autofahrer eine Abkürzung über eine Tankstelle zu nehmen, um beispielsweise einer roten Ampel oder einem Stau auszuweichen. Dadurch wird aber der ruhige Besitz des Tankstellenpächters gestört, weshalb eine Besitzstörungsklage beim Bezirksgericht droht.

Voraussetzung für eine solche Klage: der „ruhige“ Besitz, eine Störung dieses Besitzes und Wiederholungsgefahr. Unter dem Deckmantel der Parkraumüberwachung wird Supermärkten und Tankstellenbetreibern angeboten, derartige eigenmächtige Störungen abzustellen. Der Grundgedanke ist nicht schlecht, sollen Parkplätze oder die Zu- und Abfahrt für Kunden da sein. Die wahre Absicht der Parkraumüberwacher ist aber, aus möglichst vielen Verstößen eine Einnahmequelle zu lukrieren und das läuft so: Auf einem Areal wird ein (meist zu kleines) Schild mit Richtlinien der Benutzung der Parkplätze oder der Tankstelle aufgestellt und kundgemacht, wann eine eigenmächtige Störung vorliegt.

Die dann erwischten Störer, die das Schild meist nicht wahrnehmen oder wahrnehmen können, erhalten von einem Rechtsanwalt einen Serienbrief mit der Aufforderung bis zu 300 Euro zu bezahlen, widrigenfalls eine Besitzstörungsklage eingebracht werden wird. Mit der Bezahlung verknüpft ist die Verpflichtung, eine derartige Störung zu unterlassen. Der Störer kann sich so von einer möglichen gerichtlichen Klage freikaufen, was ein scheinbar verlockendes Angebot ist. Nach dem Rechtsanwaltstarifgesetz kostet dieses Schreiben 44,06 €. Man verlangt daher 290 € Schadenersatz, der nicht nachvollziehbar ist. Die Klage selbst würde übrigens 236,15 € kosten. Die Entlohnung einer Klage samt Verhandlung bringt nur 213,38 € netto als Verdienst, wobei hier eine Klage eingebracht und eine Verhandlung besucht werden muss.

Das System ist also darauf abgestellt, mit einem einzigen Serienbrief vom Störer 290,00 € zu erhalten. Sobald ein Verfahren eingeleitet werden muss, ist die Angelegenheit mühsam und zieht einen entsprechenden Aufwand nach sich, der sich tatsächlich nicht rechnet. Das Problem im Fall einer Klage ist aber: Jeder Betroffene muss das finanzielle Risiko im Verfahren zu unterliegen selber tragen.

Tatsächlich kann man eine Besitzstörungsklage dadurch vermeiden, indem man dem Gestörten oder dem einschreitenden Anwalt schriftlich mitteilt, dass man keine weitere Störung vornehmen wird. In keinem Fall darf man aber eine Unterlassungserklärung abgeben, in der man sich zu Bezahlung der Kosten verpflichtet, weil diese ansonsten mit Erfolg einklagbar sind (der Punkt wäre bei vorgefertigten Erklärungen durchzustreichen).

In einem aktuellen Fall spricht die betreibende Anwaltskanzlei von über „mehr als 60-70 Fahrzeugen pro Stunde!!!“, die eine Tankstelle durchfahren und abgemahnt werden. Selbst wenn nur 70 Fahrzeuge am Tag zur Zahlung aufgefordert werden, ergäbe das eine „Schadenersatzforderung“ von 629.300 Euro pro Monat, die der Parkraumüberwacher lukriert.

Es ist natürlich das Recht eines jeden Besitzers, andere von der Störung seines Besitzes abzuhalten. Bei derartigen Fällen ist aber auffallend, dass die Hinweistafeln gar nicht auffallen sollen, sondern so gestaltet sind, dass man sie übersieht. Sobald genug Störer „abgestraft“ sind zieht sich die Parkraumüberwachung meistens zurück, weil es ja nichts mehr zu holen gibt, wenn das Überraschungsmoment weggefallen ist. Nachdem ich nun für Mandanten entsprechende Unterlassungserklärungen abgegeben habe hat mir die Anwaltskanzlei der Parkraumüberwachung mitgeteilt, dass sie auf die Bezahlung des „Schadenersatzes“ bestehen würde und das wie folgt begründet: Das Prinzip, „die Leute denken mit oder durch Ihr Geldbörsel“ ist leider Realität. Ein paar Zeilen mit „ich werde dort sicher nicht mehr durchfahren“ sind schnell geschrieben, aber wenn jemand die Konsequenz seiner Handlung in seinem Geldbörsel spürt, dann ändert er tatsächlich sein Verhalten. Ich wäre wirklich daran interessiert, was dem Pächter einer Tankstelle durch den Kopf geht, wenn er erkennt, dass „seine“ Parkraumüberwachung durch das Verärgern von Autofahrern aber auch Kunden monatlich zumindest 629.300 Euro verdient.

Mögliche Einwendungen sind übrigens: Ich fahre seit Monaten durch die Tankstelle bzw. benütze seit Monaten den Parkplatz im Glauben, dazu berechtigt zu sein und wurde niemals daran gehindert; die Klage ist schikanös, weil es rein um das Lukrieren von Einkommen geht; es war nicht ersichtlich, dass das Befahren der Liegenschaft oder das Abstellen des Fahrzeuges nicht zulässig ist, andernfalls ich die Störungshandlung nicht gesetzt hätte. Natürlich ist das nur beispielhaft und mag Vorbringen in einem Prozess nicht zu ersetzen.

Ihr Mag. Alexander Rimser, Rechtsanwalt. Hermann-Bahr-Straße 18, 1210 Wien. T: 01/ 522 19 73.