Stammersdorfer Kellergasse: Temporäres Durchfahrtsverbot in Kraft

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Stammersdorfer Kellergasse - hier gilt die Durchfahrtssperre Richtung Hagenbrunn. Bild: DFZ.
Stammersdorfer Kellergasse - hier gilt die Durchfahrtssperre Richtung Hagenbrunn. Bild: DFZ.
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Nun ist es amtlich: In der Stammersdorfer Kellergasse ist das Fahren mit  Kraftfahrzeugen aller Art in beiden Fahrtrichtungen in der Zeit von 1.3. bis 31.10. von Freitag bis Sonntag von 10 bis 22 Uhr sowie werktags Montag bis Donnerstag von 16 bis 22 Uhr, ausgenommen Linienbus und landwirtschaftliche Fahrzeige jeweils nach den Einfahrten zum Senderparkplatz verboten.

Die Vorgeschichte ist bekannt: Bezirksvorsteher Georg Papai hat gemeinsam mit der Gebietsbetreuung Stadterneuerung einen breit angelegten Beteiligungsprozess zur Stammersdorfer Kellergasse unter Einbeziehung der Kellerbesitzer*innen, der lokalen Gewerbetreibenden, der Wirtschaftskammer Wien und der Landwirtschaftskammer Wien initiiert. 

Vor allem im Bereich der Verkehrsorganisation gab es Wünsche und Anregungen, die in einen Vorschlag zur Umsetzung eines temporären Durchfahrverbots mündeten, der in einem gemeinsamen Medientermin des Bezirksvorstehers mit der Landwirtschaftskammer Wien und der für Verkehrsangelegenheiten zuständigen Magistratsabteilung 46 vorgestellt wurde.

Stammersdorfer Kellergasse - hier gilt die Durchfahrtssperre Richtung Stammersdorf.. Bild: DFZ.
Stammersdorfer Kellergasse – hier gilt die Durchfahrtssperre Richtung Stammersdorf.. Bild: DFZ.

 „Ich bedanke mich bei allen, die sich bei der Befragung und im weiteren Beteiligungsprozess so konstruktiv eingebracht haben. Eines war allen Beteiligten von Anfang an klar: Wir müssen weg von einer stark befahrenen Durchzugsstraße zurück zu einer Kombination aus Erreichbarkeit und Ruhe, um die traditionelle Heurigen- und Weinkultur wieder besser erlebbar zu machen. Das ist uns mit diesem Entwurf gelungen!“, ist sich Bezirksvorsteher Georg Papai sicher.

Erklärung des Durchfahrtsverbotes.

Die Stammersdorfer Kellergasse ist bis weit über die Bezirksgrenzen bekannt und eine der beliebtesten Heurigengegenden Wiens. In den zahlreichen Kellern heißt es immer wieder „Ausg’steckt is“ und auf den beschaulichen Terrassen genießt man bei
einem Glas Wein einen großartigen Blick über die Hauptstadt. Gerade an schönen Tagen am Wochenende sind auf der holprigen Strecke unzählige Besucher unterwegs.

Die Kellergasse steht städteplanerisch vor großen Herausforderungen, sagt Bezirksvorsteher Georg Papai (SPÖ). Das Ensemble „Stammersdorfer Kellergasse“ ist flächendeckend Schutzzone, ihr charakteristisches Erscheinungsbild soll erhalten bleiben. Außerdem bewahrt die Widmung als Wald- und Wiesengürtel die Struktur der Kellergasse. Andererseits wird der gepflasterte Hohlweg stark vom Durchzugsverkehr befahren.

Denn die Kellergasse ist auch die Hauptroute nach Hagenbrunn. Krottenhofgasse oder ‘In den Gabrissen’ sind als Ausweichroute kaum geeignet oder sogar verboten. Die Umwege führen dann über die Brünner Straße oder sogar rund um den Bisamberg.
Speziell am Morgen und ab etwa 15 Uhr präsentiert sich die Stammersdorfer Kellergasse als stark frequentierte Verbindung zwischen Niederösterreich und Wien – vor allem für Pendler ist sie ein beliebter Schleichweg und Alternative zur Brünner Straße. Und das sind – leider – auch Raser. Vor allem wenn die erlaubten 30 km/h der Maßstab sind. Bei einer offiziellen Messung 2012 hielten sich von täglich von rund 2.800 Fahrzeugen nicht einmal 19 Prozent exakt an das Tempolimit. Ein Heurigenwirt zur DFZ: „Nicht einmal der Bus hält sich an die Geschwindigkeitsbeschränkung.“

Die aktuellen Messungen von 2021 relativieren das Bild: Offenbar fahren viele Autofahrer knapp über den erlaubten 30 km/h, rasen aber nicht: Ende Mai, Anfang Juni fuhren 34.000 Fahrzeuge im Schnitt 31 km/h. 73% fuhren maximal 33 km/h, weiter 23% maximal 40 km/h. Gemessene Höchstgeschwindigkeit: 93 km/h. Raser mit über 50 km/h sind je nach Fahrtrichtung eine Minderheit von 0,33 bzw 0,12 %. Im Schnitt sind 50 Autos in der Stunde (pro Richtung) unterwegs.

Im Sommer 2021 gab es nun örtliche Analysen aller relevanten Rahmenbedingungen, um mögliche Handlungsspielräume zu erörtern. Dann erhielten 183 Eigentümer, lokale Unternehmer, Landwirte sowie Pächter in der Stammersdorfer Kellergasse einen Fragebogen zu ihrer Interessenslage. „Der Rücklauf war überdurchschnittlich hoch“, freut sich Sabine Gehmayr, Leiterin der Gebietsbetreuung Stadterneuerung (GB). Im Oktober führte das Team der GB vertiefende Interviews mit Interessierten und eine Straßenumfrage durch.

Die Stimmungslage zeigt: Es herrscht viel Konsens darüber, was die Kellergasse ist und braucht. Der Großteil der Befragten sprach sich für eine Entschleunigung des Verkehrs und eine Verbesserung der Aufenthaltsqualität aus. „Bitte schaut, dass die Leute hier wieder gemütlich durchspazieren können!“, brachte es ein Anrainer auf den Punkt.

„Die Erreichbarkeit, die Ruhe, die Nostalgie, die Natürlichkeit, eine gute Kombination aus Alt und Neu. Keinesfalls eine zu starke Modernisierung. Altes neu beleben!“, forderte eine andere Befragte.

Ideen gibt es viele – aber der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Neben neuen Freiräumen für die Direktvermarktung und den Ab-Hof-Verkauf sehnen sich viele danach, dass man die traditionelle Heurigen- und Weinkultur besser erleben kann. Mehr Zusammenarbeit vor Ort: mit traditioneller Weinproduktion, kleinen Familienbetrieben und gemeinsame Feste und Feiern. Zusammengefasst: Eine laute, enge, unsichere und stark beanspruchte Durchzugsstraße beruhigen. Mehr Aufenthaltsqualität und Sicherheit.

Die Hagenbrunner forderten, „dass zumindest in beiden Richtungen die gleichen zeitlichen Einschränkungen gelten. Aber ich stelle die ganze Idee in Frage: Wer macht bitte eine Landstraße zu einer Sackgasse?“, so Oberschil.

Fakt ist: In Wien und Floridsdorf tagen nochmals die Gremien. Es kann durchaus noch zu leichten Adaptierungen kommen, die grundsätzliche Verkehrsberuhigung bleibt aber aufrecht und soll noch 2022 umgesetzt werden, so Papai. Wahrscheinlich wird man auch von Hagenbrunn zu bestimmten Zeiten nach Wien fahren können. So wären Stammersdorf und Hagenbrunn gleich behandelt.

Was Oberschil mit gleich drei Seitenhieben kommentiert: „Wozu haben wir ein Stadt-Umland-Management, wenn wir das nicht gemeinsam besprechen? Das ist keine gelebte Partnerschaft. Mit Papais Vorgänger Heinz Lehner hatten wir noch bestes Einvernehmen. Mehr Radler in der Kellergasse wird’s so auch nicht geben: Wer dort über das Kopfsteinpflaster radelt, muss ein Vollidiot sein. Und
Betriebe gibt es in der Kellergasse eh bald keine mehr.