Streifzüge durch die seltsamen Blüten des Sommers

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Gerald Pichowetz. Bild: Gloria Theater.
Gerald Pichowetz. Bild: Gloria Theater.
Stein

Meine lieben „Fluaridsduafa“!
Der Sommer 2020 neigt sich seinem Ende zu. Es war ein ungewöhnlicher Sommer. Und das nach dem noch ungewöhnlicheren Frühjahr, an das wir noch lange denken werden. Ich möchte jetzt nicht so sehr von uns Theaterleuten schreiben, die wir ohnedies in der Öffentlichkeit unsere Situation während der Pandemie kundtun konnten und mussten. Bei unverminderten Kosten mit 50% der Einnahmen oder weniger halbwegs überlebensfähig arbeiten zu können, ist eine kaum lösbare Aufgabe.

Nein, ich meine in erster Linie die seltsamen Blüten, die uns primär der Wahlkampf um den Bürgermeistersessel, die Stadtratsposten und um die Vormachtstellung in den Bezirken beschert haben. Wir Wiener sind ja Einiges gewöhnt, aber heuer hat man uns schon mit besonderen Leckerbissen verwöhnt.

Da kommen Radfahrer nicht mehr mit dem Tempo nach, mit welchem für sie Straßenfahrspuren gesperrt und reserviert werden, weshalb diese Fahrspuren dann auch kaum benutzt werden. Da wissen Fußgänger nicht, weshalb sie auf Fahrbahnen gehen sollen, weshalb sie es dann auch nicht tun. Da werden hölzerne Konstruktionen, die an eine Gerümpelsammelstelle erinnern, an Straßenstellen einen Meter neben vielbefahrenen Fahrbahnen zum „Verweilen“ angeboten und da werden Menschen mit
enormem Aufwand an Steuergeld eingeladen, inmitten zweier Hauptverkehrsadern ein paar Minuten ein Bad in einem Planschbecken, das in jeden Schrebergarten passen würde, zu nehmen und Staub und Abgase mehrere Stunden lang auf sich einwirken zu lassen, weshalb auch diese Plätze nicht gerade gestürmt werden.

Und als Tüpfelchen auf dem „I“ wird eine „autofreie“ City angekündigt, bei der wegen Anrainern und Berufsverkehr von „autofrei“ schon von vornherein nicht die Rede sein kann. Wer im Frühjahr wegen Corona die Stadt verlassen hat und jetzt zurückkehrt, der wähnt sich in einer anderen Stadt, vielleicht in Schilda.

Meine Lieben, hoffen wir, dass nach den Wahlen wieder etwas Vernunft in die Politik einkehrt, und dass vor allem unser aller Alltag bald wieder ein normaler wie vor dem März 2020 wird.
Bleibt mir gesund, Euer Gerald Pichowetz