Der erste ‘Bildreporter’

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Der Taxistreik war ausgerufen worden, um die Forderungen nach Aufhebung der Benzinsteuer und Stundung der Steuerschulden zu unterstützen. Foto: Edition Winkler-Hermaden/ÖNB.
Der Taxistreik war ausgerufen worden, um die Forderungen nach Aufhebung der Benzinsteuer und Stundung der Steuerschulden zu unterstützen. Foto: Edition Winkler-Hermaden/ÖNB.
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Lothar Rübelt (1901–1990) gilt als einer der produktivsten und innovativsten österreichischen Fotografen des 20. Jahrhunderts. Er war einer jener „rasenden Reporter“, die in der Zwischenkriegszeit und auch in der NS-Ära den ständig wachsenden Markt der Bildillustrierten mit dem nötigen Fotomaterial versorgten. Der Floridsdorfer Autor Matthias Marschik und Michaela Pfundner haben den umfangreichen fotografischen Nachlass Rübelts, der im Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrt wird,
gesichtet und ein neues Buch mit einer Auswahl bemerkenswerter Wiener Bilder, von denen viele noch unveröffentlicht sind, getroffen.

Damit soll Lothar Rübelts Bild von seiner Heimatstadt Wien nachgezeichnet werden, die er 40 Jahre lang immer wieder fotografisch festgehalten hat.

Begonnen hat alles zufällig: Der Star des WAC, Uli Lederer, drückte dem jungen Rübelt seine Kamera in die Hand, um ihn beim Hochsprung aufzunehmen und sagt: „Du kannst die Bilder zu den Sportblättern bringen, die drucken so etwas und zahlen sogar
dafür.“ Das Vorhaben gelang so gut, dass Rübelt bald zu einem begehrten Sportfotografen wurde. Ihm gelang es perfekt, den entscheidenden Moment festzuhalten und er nutzte dazu auch die besser, vor allem schneller, werdende Technik. Deswegen verstand Rübelt sich auch als Bildreporter.

Elisabeth ‘Lisl’ Perkaus vom Floridsdorfer AC war die beste  Allround-Leichtathletin der  Zwischenkriegszeit. Foto: Edition Winkler-Hermaden/ÖNB.
Elisabeth ‘Lisl’ Perkaus vom Floridsdorfer AC war die beste Allround-Leichtathletin der Zwischenkriegszeit. Foto: Edition Winkler-Hermaden/ÖNB.

Keiner brachte Fotos schneller in die Redaktionsstuben als Rübelt: Auch weil er und sein Bruder Motorräder erwarben und so „die ersten motorisierten Bildberichterstatter Österreichs wurden“, so Marschik. Rübelt war in der Zwischenkriegszeit bei der Auswahl seiner Kunden nicht wählerisch: Er belieferte den nationalsozialistischen ‚Notschrei‘ genauso wie den sozialdemokratischen
‚Kuckuck‘ oder das ‚Interessante Blatt‘ oder die ‚Berliner Illustrierte‘. Seine Motive wurden immer vielfältiger: Sport, Gesellschaft und Politik aber auch Mode, Theater oder eine Homestory bei den Hörbigers gehörten zu seinen Sujets.

Marschik: „Rübelt wirkte mit, dass sich eine eigene Bildsprache entwickelte, die nicht nur den Text illustrierte, sondern neue Qualitäten erzeugte.“
Die Vielfalt der Sujets besticht, ebenso Bilder die auch dadurch so stark wirken, weil sie selten gestellt sind oder zumindest nicht den Anschein machen. Von den Sportfotos, die entscheidende Momente großartig einfangen, können auch moderne Fotografen viel lernen. Am Markt gibt es mittlerweile unzählige Bände mit alten Wien-Fotos oder Facebook-Seiten. ‚Wiener Bilder‘ ist eine Ausnahme und eine absolute Bereicherung.

Cover Wiener Bilder. Foto: Edition Winkler-Hermaden/ÖNB.
Cover Wiener Bilder. Foto: Edition Winkler-Hermaden/ÖNB.

Infos: Wiener Bilder. Fotografien von Lothar Rübelt. Von Matthias
Marschik und Michaela Pfundner. 160 Seiten. € 34,90. Erhältlich im Buchhandel. www.edition-wh.at