Streifzug zur Nordwestbahn

172
Gerald Pichowetz. Bild: Gloria Theater.
Gerald Pichowetz. Bild: Gloria Theater.
Stein

Meine lieben „Fluaridsduafa“!
Die Älteren unter Euch werden sich noch an die Schrankenanlage beim Weltbild Kino an der Prager Straße erinnern, die den Straßenverkehr samt 132er anhielt, wenn eine Dampflok mit ihrem Zug Richtung Stockerau unterwegs war. Heute ist eine Lok auf einer Fahrbahn mitten in Wien unvorstellbar.

Bereits drei Jahrzehnte, bevor die Nordwestbahn nach zehnjährigen Planungen für eine „Locomotiv-Eisenbahn von Wien über Znaim nach Jungbunzlau nebst Zweiglinien“ zur Zeit der Donauregulierung in Betrieb ging, hatte die Kaiser Ferdinand Nordbahn 1841 eine Flügelbahn nach Stockerau eingerichtet, deren Teilstrecke ab Jedlesee die ÖNWB verwenden konnte. Der Kopfbahnhof beim (neuen) Tabor entstand in damals noch sumpfigem Gelände unweit des Nordbahnhofes, was die Bauarbeiten verzögerte.

Vorteilhaft für die Streckenführung war hingegen, dass man die 810 m lange Brücke über die Donau bereits über das neue Flussbett planen konnte. Sie bestand aus der Strombrücke mit 4 jeweils etwa 80 m breiten Durchlässen und der Inundationsbrücke mit 14 Öffnungen von je ca. 30 m Breite. 1909 übernahmen die k.k. Staatsbahnen die Strecke und erweiterten diese teilweise auf zweigleisigen Betrieb, so auch an der Brücke, deren Pfeiler vorausblickend für eine spätere Verbreiterung eingerichtet worden waren.

Nach dem Ersten Weltkrieg lag nun der größere Teil der Strecke nicht mehr auf österreichischem Gebiet, was zur Folge hatte, dass der Nordwestbahnhof aufgelassen und der Teil bis Jedlesee wieder auf eingleisigen Betrieb rückgebaut wurde. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Brücke von der Wehrmacht gesprengt, sie war aber von allen gesprengten Donaubrücken am leichtesten wiederherzustellen, was russische Pioniere auch innerhalb von viereinhalb Monaten zustande brachten.

In den 1950er Jahren begannen die Planungen für die neue Schnellbahn, und bereits 1959 fuhr der letzte Personenzug nach Stockerau. Schließlich erfolgte 1963-1964 der Umbau in eine Autobrücke, die heutige „Nordbrücke“, und letztlich verschwand auch der Jedleseer Bahnhof unter umstrittenen Umständen.
Kommt gut in den Frühling und bleibt gesund, meine Lieben!
Euer Gerald Pichowetz