KH Nord: U-Ausschuss, Rückzahlungsforderungen und ein Rücktritt

1145
Krankenhaus Nord. Bild: Foto: KAV/Peter Plundrak.
Krankenhaus Nord. Bild: Foto: KAV/Peter Plundrak.
Stein

Weitere Konsequenzen nach dem Esoterik-Auftrag für das Krankenhaus Nord an der Floridsdorfer Brünner Straße: Die Stadt Wien wird versuchen von Beteiligten die 95.000 Euro zurückzubekommen. Rot-Grün haben einen Untersuchungsausschuss eingesetzt. Und Prof. Dr. Sylvia Schwarz erklärte ihren Rücktritt als Präsidentin des Obersten Sanitätsrates.

Der Reihe nach: Gestern (Montag) vormittag erklärte  Stadträtin Sandra Frauenberger im Rahmen einer Pressekonferenz: „ Der Esoterik-Auftrag macht mich fassungslos, entsetzt und verärgert. Das ist eine Geldverschwendung und nicht tolerierbar. Die Wiener ärgern sich zu Recht. Die Verantwortlichen müssen mit ganzer Härte der Konsequenzen rechnen. Eine lückenlose Aufklärung wichtig.“

KH-Nord: Geld zurück?

Konkret heißt das, dass Programmleiter und Stellvertreter des Krankenhaus Nord der Funktion enthoben wurden und derzeit im Urlaub sind. Die Prüfung für eine Suspendierung läuft. Die Stadt Wien will prüfen, ob es möglich ist von Verantwortlichen oder dem Auftragnehmer, also dem Esoterik-Berater, Geld zurück zu bekommen. Der Berater soll keine nötige Gewerbeberechtigung haben und auch ein Leistungsnachweis sei fraglich.

Das Sozialministerium gab gestern bekannt: „Prof. Dr. Sylvia Schwarz hat heute aufgrund der intensiven medialen Berichterstattung bezüglich des Krankenhauses Nord aus eigenen Stücken ihren Rücktritt als Präsidentin des Obersten Sanitätsrates erklärt. Es ist ihr ein persönliches Anliegen, dass die Funktion des Obersten Sanitätsrates unangetastet bleibt.  „Ich akzeptiere die Entscheidung von Dr. Schwarz und möchte mich zeitgleich für ihre bisherige Arbeit im Sinne der Wissenschaft und Forschung im Obersten Sanitätsrat bedanken“, erklärt Bundesministerin Mag. Hartinger-Klein. Der KAV hat den Beratungsvertrag mit Prof. Dr. Sylvia Schwarz aufgelöst. Hier dürfte aber ein Gerichtsverfahren folgen.

KAV-Chef Herwig Wetzlinger: „Was passiert ist, ist passiert – aber es ist indiskutabel und spottet jeder Beschreibung. Nicht für möglich gehalten, so was zu erleben. Ich verstehe, dass die Menschen Wut haben. Ich wurde geholt, das KH Nord auf Schiene zu bringen, und das werde ich tun!“

KH Nord: Vollbetrieb 2019?

Das Bauvorhaben soll ohne weitere Verzögerung in Betrieb gehen. Übersiedlungen sind Juni bis August 2019 geplant, der Vollbetrieb im 3. Quartal 2019.

Abgeordnete von Rot-Grün beantragen Untersuchungskommission zum Krankenhaus Nord

Die rot-grüne Stadtregierung hat heute einen mehrseitigen Antrag auf Einsetzung einer Untersuchungskommission zum Thema Krankenhaus Nord eingebracht. Diese soll Projekt-, Kosten- und Terminentwicklung des Baus klären. Die Verwaltung soll ebenso näher betrachtet werden wie die allfällige politische Verantwortung.

„Seit September 2017 kündigt die Opposition eine Untersuchungskommission an. Passiert ist bisher nichts“, sagt SPÖ-Klubobmann Christian Oxonitsch. „Dieser Neverending Story setzen wir mit unserem Antrag nun ein Ende. Wir haben dazu einen umfangreichen Fragenkatalog erarbeitet. All das und noch mehr soll im Zuge der U-Kommission beantwortet werden. Damit hat der Wiener Gemeinderat umfassende Kontrolle über dieses Großprojekt.“

Medienberichten zufolge macht der Rohbericht des Bundesrechnungshofs nun Fehlleistungen von Management und Architektenteams aus. Demnach ist von rund 12.000 Mängeln und einer erheblichen Verteuerung des Projekts die Rede. Der Krankenanstaltenverbund KAV bestätigt als Bauherr die Kritik insofern, als man zahlreichen Empfehlungen des Rechnungshof bereits während der Prüfung gefolgt sei.

„Wir wollen lückenlose Aufklärung der Vorwürfe rund um das Krankenhaus Nord. Eine Untersuchungskommission schafft hier Transparenz und Kontrolle. Die Aufklärung der Vorwürfe hilft auch, aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen“, so der Klubobmann der Grünen Wien, David Ellensohn.

Aus Verantwortung gegenüber den SteuerzahlerInnen soll die Untersuchungskommission des Wiener Gemeinderats nun Klarheit über das Bauprojekt schaffen. Angesichts der Größe und Bedeutung des Projekts und seiner Kosten sind für Rot-Grün sowohl größtmögliche Transparenz als auch eine professionelle Fertigstellung das Gebot der Stunde. Die Frage ist, wo Fehlentscheidungen und -leistungen erfolgt sein könnten und welche Ursachen diese hatten. Erkenntnisse und Schlussfolgerungen sind für weitere Projekte des KAV und die Stadt von erheblicher Bedeutung. Diese werden im Rahmen des Spitalskonzepts 2030 aktuell.

Wird der Antrag im Gemeinderat angenommen, sollen mittels Befragung von relevanten, involvierten Personen und der Prüfung von Beweismitteln folgende Bereiche untersucht werden: Leistungs- und Bedarfsentwicklung, Grundstücksfragen, die Bauherrnfunktion des KAV, die Vergabe von Leistungen, die Bauausführung, die Kosten und Finanzierung sowie die Betriebsorganisation des KH Nord.

Frauenberger begrüßt Antrag zur Untersuchungs-Kommission durch SPÖ und Grüne

„Ich begrüße es sehr, dass die beiden Regierungsfraktionen SPÖ und Grüne nach einem monatelangen Ankündigungsmarathon der Opposition nun selbst einen Antrag zur Einsetzung einer Untersuchungskommission zum Thema Krankenhaus Nord eingebracht haben“, unterstreicht Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger. Die Untersuchungskommission ist ein wirkungsvolles Instrument der Kontrolle und wird dazu beitragen, dass die Bevölkerung wieder Vertrauen in das „großartige und topmoderne“ Projekt Krankenhauses Nord fassen wird. Frauenberger weist darauf hin, dass das neu entstehende Krankenhaus in Floridsdorf über die Jahre bereits mehrfach geprüft wurde – jüngst vom Rechnungshof bzw. vom Stadtrechnungshof.

„Mit der Untersuchungskommission werden wir diese Kontrollzyklen abschließen. Die Untersuchungskommission kann alles noch einmal sehr genau ausleuchten, auch den ‚Esoterik-Auftrag‘. Am Ende werden wir das modernste Krankenhaus in Österreich eröffnen – bestens geprüft, mit den besten Geräten und mit einem Top-Personal. Das wichtigste aber ist, dass die Menschen in Wien darauf vertrauen können, die bestmögliche Behandlung zu erhalten“, schloss die Stadträtin.

Volksanwaltschaft prüft Esoterik-Skandal beim KAV

Volksanwalt Günther Kräuter: „Patienten in KAV-Spitälern müssen am Gang liegen, Gesundheitspersonal wird ein halbes Jahr verspätete Auszahlung von Ansprüchen zugemutet, die Kosten des Krankenhaus Nord liegen noch immer nicht am Tisch. Es ist unerträglich, dass für Esoterik-Hokuspokus 95.000 Euro ausgegeben werden – die unabhängige Volksanwaltschaft wird Hintergründe und Urheberschaft restlos aufklären.

Kräuter fordert Auskünfte und die Vorlage aller relevanten schriftlichen Unterlagen zu der Causa. Wer hat den „Bewusstseinsforscher“ beauftragt? Wie viel Geld ist bereits geflossen? Welche Schritte werden nun unternommen? Welche Konsequenzen werden gezogen?

Dies alles sei nun Inhalt eines amtswegigen Prüfverfahrens der Volksanwaltschaft.

Offensichtlich habe es zudem bereits in der Vergangenheit den Einsatz ähnlicher „Hilfsmittel“ gegeben. So seien mit Beginn 2000 im Otto-Wagner-Spital, in der KAV-Generaldirektion und in anderen Einrichtungen Metallwellen von „Geo Waves“ zur „Stärkung der körpereigenen Energie, zur Steigerung der Raumqualität und zur Harmonisierung von geopathischen Störzonen“ montiert worden.

„Die Volksanwaltschaft fordert auch Aufklärung über weitere ʼenergetische Leistungenʽ in Einrichtungen der Stadt Wien und deren wissenschaftlicher Grundlage“, so Kräuter abschließend.

Nepp zu U-Ausschuss: Ludwig handelt in alter DDR-Manier

Die Ankündigung des neuen Wiener SPÖ-Chefs und Häupl-Nachfolgers Michael Ludwig, zum Milliardenskandal Krankenhaus Nord eine eigene rote Untersuchungskommission mit grünen Beitragstätern einzusetzen, sei ein demokratiepolitischer Megaskandal im Milliardenskandal Krankenhaus Nord. „Der Angeklagte erstattet Anzeige gegen sich selbst, spielt auch selbst den Ankläger und sucht sich wahrscheinlich auch noch die Richter aus“, so Wiens Vizebürgermeister Dominik Nepp.

Darüber hinaus sei Ludwigs perfide Vertuschungs-Strategie ein rotes Schuldgeständnis der Sonderklasse. Die SPÖ wusste natürlich, dass die Freiheitlichen eine Untersuchungskommission einsetzen würden und einen Beschluss zur Stärkung der demokratischen Minderheitenrechte im kommenden Landtag noch diese Woche fix geplant hatte – etwa was objektive Beweisaufnahmen und Zeugenladungen betrifft.

„Passend zu den Voodoo-Honoraren für Feng-Shui-Blödheiten in Wiener Spitälern und Energieschildzauberern im KH Nord kann ich nur sagen: Was Ludwig und die SPÖ hier mit der Demokratie und demokratischen Kontrollrechten anstellen, ist gespenstisch.“

Die Freiheitlichen würden jedenfalls in keiner Wiese locker lassen, ganz im Gegenteil. „Wir hatten immer das Ziel, mit der Untersuchungskommission nicht nur den Milliardenskandal KH Nord, sondern den gesamten Kollaps des Wiener Gesundheitssystems untersuchen zu lassen, inklusive Gangbetten-Misere, Patientenstaus in Ambulanzen und Abweisungs-Serien von Akutpatienten in den Notfall-Aufnahmen.“

Nepp richtet Ludwig abschließend aus, dass sich die FPÖ „sicher nicht mit der Umtaufung des KAV in ,Wien Kliniken‘, mit der erneuten Ablöse einer unfähigen Gesundheitsstadträtin und dem Abwürgen einer unabhängigen parlamentarischen U-Kommission abfinden wird.“ Der ÖVP und den NEOS rät er dringend, „dem roten System nicht auf den Leim zu gehen und dieses perfide Spiel mitzuspielen“.

Beate Meinl-Reisinger: „NEOS Wien freuen sich auf volle Aufklärung des KH Nord-Skandals!“

„Es ist einigermaßen bizarr“, kommentiert NEOS Wien Klubchefin Beate Meinl-Reisinger die Ankündigung der Wiener Stadtregierung, eine U-Kommission zum Krankenhaus Nord einzurichten: „Rot-Grün kontrolliert also jetzt das Versagen von Rot-Grün – was ein selbst ernannter Energetiker alles bewirken kann! Uns ist es jedenfalls mehr als recht, dass eine U-Kommission bald ihre Arbeit aufnimmt, egal, wer sie initiiert. Unserer Ansicht nach wäre es besser gewesen, auf die Endfassung des Rechnungshofberichtes zu warten, da dann die Versäumnisse schwarz auf weiß öffentlich gemacht werden. Wir werden jedenfalls wie gewohnt auch in der U-Kommission gegen die rotgrüne Misswirtschaft und Freunderlwirtschaft vorgehen. Kleines P.S.: Wenn Rot-Grün endlich zur Auffassung gelangt, dass beim KH-Nord-Bau vieles schief gelaufen ist, wäre es doch konsequent, wenn die zuständigen Stadträtinnen aus politischer Verantwortung ihren Hut nehmen würden.“

95.000 Euro über eine Direktvergabe an einen Energetiker – auch nach den Ausführungen der Gesundheitsstadträtin und des KAV-Vorstandes bleiben noch viele Fragen offen, allen voran die Frage nach Schadenersatz. Es ist zu prüfen, ob neben den Verantwortlichen, die den ominösen Auftrag erteilt und unterzeichnet haben, auch das Management des KAV haftbar gemacht werden kann, fordert NEOS Wien Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger:  „Offenbar hat es die KAV-Führung verabsäumt, klare interne Regeln für Direktvergaben außerhalb des Bundesvergabegesetzes zu erlassen und ist somit für die Vorgänge haftbar zu machen. Es reicht nicht, immer fassungslos den Kopf über die Unfähigkeit bzw. die Misswirtschaft unter Rot-Grün in Wien zu schütteln. Die Steuerzahler haben ein Recht darauf, dass man auch ernsthaft versucht, den Schaden wiedergutzumachen und im Wege von Schadensersatz Geld zurückverlangt. Wenn schon kein Stadtrat und keine Stadträtin politisch die Verantwortung für dieses Desaster übernehmen will und zurücktritt, wie sie es eigentlich müssten, so muss zumindest rechtlich ein Exempel statuiert werden, dass so nicht gewirtschaftet werden darf.“

Zumal die Art der Auftragsvergabe an den Energetiker System zu haben scheint: „Im Rohbericht des Rechnungshofes steht, dass 78 (!)% aller Auftragsvergaben beim KH Nord im Wege der Direktvergabe erfolgt sind – was Tür und Tor für solche Aberwitzigkeiten wie den Energetiker-Auftrag, aber auch für Freunderlwirtschaft und strukturelle Korruption öffnet. Unsere jahrelange Forderung nach Kontrolle wird erst durch diesen peinlichen Einzelfall endlich umgesetzt“, schließt Meinl-Reisinger.

Wölbitsch/Korosec zu KAV-Reform: Ludwig muss Reißleine ziehen!

„Nun hat die rot-grüne Stadtregierung auf Druck der ÖVP Wien eingesehen, dass nach all den Skandalen rund um das KH Nord kein Weg an einer U-Kommission vorbeiführt. Es müssen endlich alle Fakten auf den Tisch für die volle Aufklärung. Denn das KH Nord ist die größte Steuergeldverschwendung der 2. Republik und der größte Bauskandal der Wiener Geschichte“, so ÖVP Wien Stadtrat Markus Wölbitsch.

Der genaue Untersuchungsgegenstand sei nun entscheidend. „Für eine Pseudo-U-Kommission sind wir nicht zu haben. Wir haben eine Zeugenliste vorgelegt, die nach den aktuellen Vorfällen lediglich erweitert werden muss. Bürgermeisterkandidat Ludwig ist nun gefordert, die Zeugenladungen und eine umfassende Prüfung nicht zu blockieren. Wir sind startklar!“

Die ÖVP Wien fordert zudem den Ausbau der Minderheitenrechte analog zur Reform im Nationalrat. „Es ist inakzeptabel, wenn notwendige Zeugenladungen oder Dokumentenvorlagen von der Mehrheit verhindert werden können!“

„Wir fordern bereits seit langem, den schwerfälligen Koloss KAV zu professionalisieren und auf neue Beine zu stellen, dies wurde nun endlich erkannt. Jedoch gibt es noch viele Unklarheiten, besonders die Führungspositionen und die Oppositionsrechte betreffend. Stadträtin Frauenberger handelt sich nur noch von einem Tag zum nächsten und ist auch hier wieder einmal viele Antworten schuldig geblieben. Ludwig muss endlich durchgreifen und die Reißleine ziehen“, so ÖVP Wien Stadtrat Markus Wölbitsch und Gesundheitssprecherin Ingrid Korosec in Reaktion auf die aktuelle Medienberichterstattung und weiter: „Die geplante Umwandlung des KAV in eine Anstalt bedeutet, dass sich die Aktivitäten der parlamentarischen Kontrolle entziehen. Die öffentliche Kontrolle muss jedoch gewährleistet bleiben!“

„Die Oppositionsparteien wurden in die Erstellung des Konzepts überhaupt nicht involviert. Es ist endlich an der Zeit, dass die Stadt Wien die konstruktiven Vorschläge der Opposition anerkennt und sie aktiv einbindet“, so Korosec. Man sehe deutlich, dass es die Kontrolle durch den Gemeinde- bzw. Landtag und die Opposition braucht, besonders bei den wesentlichen Großprojekten. Denn bei allen großen Projekten, die von der Stadt Wien als Bauträger umgesetzt werden, kommen früher oder später Verzögerungen, Kostenexplosionen und Fehlplanungen ans Tageslicht – zu Lasten der Steuerzahler.

Das KH Nord gliedert sich auch mit dem aktuellsten „Energetiker“-Skandal und der unglaublichen Summe von 95.000 Euro einmal mehr in diese Reihe ein. Die von Stadträtin Frauenberger bereits gezogenen Maßnahmen in dieser Causa, wie die ersten personellen Konsequenzen oder die Beauftragung der internen Revision mit diesem Fall, können nur die ersten Schritte sein und nicht über das unprofessionelle Baumanagement des gesamten Projekts KH Nord hinwegtäuschen. „Für uns steht fest, es braucht volle Transparenz und Aufklärung dieser Causa“, so Wölbitsch und Korosec abschließend.

MEHR INFOS: KH-Nord: Projektleiterin wird abgezogen – Innenrevision überprüft Auftrag zur „energetischen Reinigung“

 

https://www.dfz21.at/dfz/rechnungshof-zerpflueckt-bau-des-krankenhaus-nord/